Es klingt sehr nach Science Fiction: Der Brite David Levy, 62, prognostiziert in seinem neuen Buch "Love & Sex with Robots", dass wir uns bis zum Jahr 2050 in Roboter verlieben und sie sogar heiraten werden. Levy arbeitet seit 30 Jahren im Bereich der künstlichen Intelligenz, entwickelt in seiner Londoner Firma virtuelle Sprachroboter und ist Experte für Computerschach. Er ist seit acht Jahren in zweiter Ehe verheiratet.
SZ: Warum sollten wir uns in Maschinen verlieben, Mr. Levy?
David Levy: Weil sich unser Verhältnis zu Robotern ändern wird. Nicht sehr lange ist es her, dass wir sie noch als Bedrohung gesehen haben, heute nähern wir uns ihnen immer mehr. Erst haben Roboter in Fabriken Autos gebaut, dann sind sie zu uns nach Hause gekommen, saugen Teppiche und spielen uns auf der Violine etwas vor. In japanischen Altenheimen streicheln Roboter Bettlägerigen über den Arm, was sich nachweislich positiv auf deren Wohlbefinden auswirkt. Und sie sind längst als virtuelle Haustiere wie Tamagotchis oder Roboterhunde unsere Freunde. Wir sind uns emotional sehr viel nähergekommen.
SZ: Vom Plastikhund zum Lebensgefährten ist es ein weiter Schritt. Robotikexperten haben große Zweifel, dass Mitte des 21. Jahrhunderts humanoide Roboter sich auch nur annähernd so bewegen und verhalten wie Menschen.
Levy: 2050 wird es Roboter geben, die wir uns heute noch nicht vorstellen können. Sie werden so lebensecht in Aussehen, Funktion und Persönlichkeit sein, dass sie vom Mensch nicht mehr zu unterscheiden sind. Wir können heute schon Roboter entwickeln, die anhand der Klangfarbe der menschlichen Stimme mit Gefühlen wie Wut, Freude oder Trauer reagieren. Vor nur 40 Jahren wurde der erste primitive Roboter in der Industrie eingesetzt, in den nächsten 40 Jahren kann noch sehr viel passieren.
SZ: Reden wir bei Ihrer Vision über Liebe oder doch nur über Sexmaschinen?
Levy: Über Liebe. Auf Sexpartner müssen wir nicht bis 2050 warten. In Japan und Südkorea gibt es schon heute Bordelle, die nur mit Sexpuppen betrieben werden. Das sind täuschend echt aussehende Figuren aus Silikon, das sich anfühlt wie Haut, mit Heizungen, die Körperwärme vortäuschen, mit Brustwarzen, die sich bei Berührung aufrichten. Die Entwickler sind im Bereich der Robotik und künstlichen Intelligenz sehr aktiv. Der Erfolg der Puppen zeigt, wie sehr wir uns dem Artefakt genähert haben, obwohl es sich technisch noch um die Steinzeit handelt.
SZ: Angenommen, wir verlieben uns wirklich in Roboter: Könnten wir mit vorgetäuschten Gefühlen leben?
Levy: Wenn die Simulation perfekt ist, kommt es nicht darauf an, ob die Gefühle echt sind oder nicht. Auch Menschen täuschen Gefühle vor und wir glauben trotzdem daran. US-Psychologen haben in einer Studie zehn Kategorien gefunden, warum Menschen sich ineinander verlieben. Die wichtigsten sind Ähnlichkeit, Aufmerksamkeit, Ansprache. Das alles kann programmiert werden und führt dazu, dass sich ein Mensch wohl in der Gesellschaft der Humanoiden fühlt - und vielleicht in sie verliebt. Nicht im Sinne der Objektophilie, also der Liebe zu Gegenständen, dazu sind die humanoiden Roboter dem Menschen einfach zu ähnlich.
SZ: Aber werden wir nicht im Kopf haben: Es ist doch nur eine Maschine?
Levy: Es wird immer Menschen geben, die das bewusst oder unbewusst denken - egal, wie perfekt die Simulation ist. Die werden nie so eine Beziehung eingehen. Ich selbst zähle mich dazu, weil ich mich mit Robotik befasse und glücklich verheiratet bin. Es wird aber Menschen geben, die das ausschalten können. Vielleicht sollten wir Roboter als eigene Spezies sehen, die uns irgendwann so nah oder fern sein wird wie Menschen aus anderen Kulturkreisen oder sozialen Schichten.
SZ: Ganz ehrlich, dass wir 2050 Roboter heiraten werden, sagen Sie nur, um Ihr neues Buch zu verkaufen, oder?
Levy: Es ist weit gedacht, aber ich bin mir sicher, dass man mit Robotern eine Ehe führen kann. Spiritualität ist schon heute in vielen Ehen nicht mehr das wichtigste. Zudem wird sich der Beziehungsbegriff in einer ständig vereinsamenden Gesellschaft verändern. Wenn ich vor 100 Jahren gesagt hätte, man wird Menschen bald das Herz eines anderen einpflanzen, hätten Sie mich auch für verrückt erklärt.
SZ: Haben Sie zuhause schon so einen Robotergefährten?
Levy: Da würde meine Frau nicht mitspielen. Die Entwicklung humanoider Roboter überlasse ich der Wissenschaft. Ich interessiere mich für die Veränderung der Mensch-Roboter-Beziehung aus Sicht der Robotik, Soziologie, Psychologie, Evolution und Gender Studies. Ein Experte für künstliche Intelligenz aus Maastricht ermunterte mich, das Buch direkt als Dissertation zu verfassen. Jetzt bin ich also Doktor - mit 62 Jahren.
SZ: Wie reagieren andere Wissenschaftler auf Ihre Thesen?
Levy: Sehr interessiert. Ich habe erstmals einen Vortrag zum Thema "Intime Beziehungen zwischen Robotern und Menschen" 2006 auf einem Kongress für Roboterethik in Genua gehalten. Das hat viele Diskussionen angestoßen. 2008 soll es in Maastricht eine Konferenz dazu geben.
SZ: Wie findet Ihre Frau Ihre Visionen?
Levy: Zuerst sah sie das Thema skeptisch, heute liest sie alles, was es dazu gibt. Sie glaubt aber immer noch, dass Menschen etwas fehlt, wenn sie sich Partner nach ihren Vorstellungen bauen.
SZ: Ihre Vision von der Roboterliebe ist schon ein sehr düsterer Gesellschaftsentwurf. Wir müssen uns auf keinen mehr einlassen, programmieren einfach Sklaven.
Levy: Ich denke nicht, dass Mensch-Roboter-Beziehungen die Norm sein werden, wohl aber eine Alternative - für Menschen, die keinen Partner finden. Das würde sie glücklicher machen und so der Gesellschaft dienen. Wir müssen uns davon lösen, dass Roboter noch Sklaven sein werden. Sie werden als eigene Wesen mit einer Art eigenem Bewusstsein existieren - auch wenn uns das unheimlich erscheint.
SZ: Vielleicht wollen wir auch in Zukunft nicht den perfekten Partner. Manchmal lieben wir den anderen doch dafür, dass er ein Sturkopf ist oder Unsinn redet.
Levy: Das ist alles programmierbar: fünf Prozent falsche Antworten, zehn Prozent widersinniges Verhalten.
SZ: Sie haben auf alles eine rationale Antwort, oder?
Levy: Ich versuche nur klarzumachen, dass der perfekte Humanoid 2050 kein technisches Problem ist. Die Hürde, die wir nehmen müssen, sind wir selbst. Halten wir uns für die Krone der Schöpfung oder akzeptieren wir, dass da etwas sein kann, das perfekter ist als wir?