Kritik an Korruptionsindizes:"Ich will keine Schatten vermessen"

Lesezeit: 2 min

Der oberste Verbrechensbekämpfer der Vereinten Nationen, Antonio Costa, wünscht sich bessere Indizes zur Abschätzung der weltweiten Korruption. Der Appell bedeutet vor allem eins: Für die Korruptionsbekämpfung ist mehr Geld nötig.

Paul Katzenberger

Antonio Costa nahm kein Blatt vor den Mund: Beim fünften Anti-Korruptionsforums in Sandton bei Johannesburg bemängelte der Direktor des UN-Programms zur Verbrechens- und Drogenbekämpfung die bisher gängigen Korruptionsindikatoren. "Bisher haben wir Wahrnehmungsindikatoren, die vorrangig von Transparency International stammen, aber die vermitteln nur ein Gefühl oder einen Eindruck für Korruption. Ich will die Korruption messen, ich will keine Schatten vermessen", sagte Costa zu Teilnehmern des Forums.

Dass Costa das Thema Korruptionsmessung aufgriff, hing nach allgemeiner Einschätzung mit dem Austragungsort des Forums zusammen. In Südafrika herrscht derzeit Unzufriedenheit über den 51. Rang im Transparency-Korruptions-Wahrnehmungs-Index für 2006.

Südafrika reklamiert für sich Fortschritte

Nach eigener Wahrnehmung machte Südafrika nämlich im vergangenen Jahr Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung. Die Bemühungen erreichten sogar die Staatsspitze als Präsident Thabo Mbeki seinen Stellvertreter Jacob Zuma entließ, der unter Korruptionsverdacht steht.

Silke Pfeiffer, die Transparency International (TI) als Regionaldirektorin für den amerikanischen Kontinent in Sandton vertrat, kann die Kritik an reinen Wahrnehmungs-Indizes aber durchaus nachvollziehen: "Für den Korruptions-Wahrnehmungs-Index befragen wir international tätige Geschäftsleute, wie stark die Korruption ihrem Eindruck nach in den Ländern ist, in denen sie tätig sind. Da bleibt es natürlich oft bei einer Einschätzung", räumte Pfeiffer gegenüber sueddeutsche.de ein.

Besser seien quantitative Erhebungen, etwa nach dem Muster: "Wieviel Schmiergeld musste ein Haushalt pro Jahr in einem bestimmten Land für eine öffentliche Leistungen bezahlen?" Solche Untersuchungen gebe es zwar häufig für einzelne Länder, aber nicht für internationale Vergleiche, so Pfeiffer. Der Aufwand für länderübergreifende Studien sei nämlich sehr hoch.

Mehr Geld

Der Aufruf Costas könne also auch als ein Appell an die Weltgemeinschaft verstanden werden, mehr Geld für die Korruptionsbekämpfung in die Hand zu nehmen, erklärte Pfeiffer.

Thematisiert wurde in Sandton auch der Umstand, dass es vor allem die Firmen aufstrebender Exportmächte wie China, Indien und Russland sind, die ihre Auslandsgeschäfte mit Bestechungsgeldern fördern.

Um die Korruptionspraxis dieser Länder besser abbilden zu können, entwickelte TI den sogenannten "Bribe-Payers-Index". Für diesen Indikator werden die Importeure in den einzelnen Ländern befragt, wie stark die Neigung in den verschiedenen Exportnationen ist, einen Auftrag mittels Schmiergeld zu ergattern. Im Gegensatz zum bekannteren TI-Wahrnehmungsindex werden also nicht die potenziellen Geber von Schmiergeldern befragt, sondern die potenziellen Empfänger.

Nach der TI-Erhebung sind vor allem die Schweiz, Schweden und Australien vergleichsweise wenig korrupt. Deutschland belegt Platz sieben und zählt damit noch zu den relativ korruptionsfreien Ländern. Besser liegt Großbritannien (Rang sechs), aber die USA (Rang neun), Frankreich (Rang 15) und Italien (Rang 20) rangieren hinter Deutschland.

An der Tagesordnung

Am stärksten ist die Korruption nach dem Bribe-Payers-Index in Indien - knapp gefolgt von China. Die Volksrepublik ist weltweit das viertgrößte Export-Land und Bestechung gehört bei fast der Hälfte der Auslandsgeschäfte zur Tagesordnung. Ähnlich stellt sich die Situation in Russland dar, das den dritten Platz des "TI-Schmiergeld-Zahler-Index" belegt.

Ein großes Thema des Forums war auch der Zusammenhang zwischen ethischen Normen und Korruption: "Korruption beeinträchtigt menschliche Werte in allen Ländern" hatte Südafrikas Präsident Mbeki gleich zum Auftakt der Veranstaltung gesagt, bei der 1500 Delegierte aus mehr als 100 Ländern vertreten waren.

Die Bedrohung ist auch nach Einschätzung der Weltbank massiv: Jedes Jahr werden nach einer Schätzung der Bank rund eine Billion US-Dollar an Schmiergeldern gezahlt.

Die NGO Transparency International steht in enger Zusammenarbeit mit der Weltbank und hat den sogenannten "Bribe Payers Index" erstellt. Dieser Index zeigt auf, welche der 30 führenden Export-Länder wieviel Schmiergeld ans Ausland zahlen.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: