Krisentreffen der Autobranche:Ein bisschen Software, ein bisschen Fahrrad

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Am Vorabend des Diesel-Gipfels ringt die Autoindustrie darum, was sie der Politik im Kampf um saubere Luft anbieten soll. Die teure Lösung mit neuen Katalysatoren wollen offenbar alle Hersteller vermeiden.

Von Max Hägler, Berlin/München

Wie zerfahren die Lage in der Industrie war, selbst noch wenige Stunden vor diesem Gipfel, der den Diesel retten sollte, zeigte sich dann ausgerechnet an Ford. Am Nachmittag schickte der Hersteller, dessen Muttergesellschaft in den USA sitzt, Informationen zu einem "Maßnahmenpaket zur Verbesserung der Luftqualität" herum. Die Rede ist dabei von 100 000 kostenlosen Einjahresmitgliedschaften bei dem Bikesharing-Anbieter Call a Bike - und vor allem: 2000 bis 8000 Euro für Besitzer älterer Ford-Diesel-autos, als Umweltbonus, wenn sie sich einen neuen Ford kaufen. Verschrottung des alten Wagens inklusive. "Wir atmen alle die gleiche Luft", sagte Wolfgang Kopplin, stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung der Ford-Werke GmbH. "Deshalb teilen wir die Bedenken bezüglich der Luftqualität in den Stadtgebieten."

Das hat garantiert kein Abgasproblem: Kanzlerin Merkel begutachtet ein Modellauto auf einer Messe in München im Jahr 2016. Schwieriger fällt es der Politik, die Dieseltechnik der Autokonzerne zu beurteilen. (Foto: Michaela Rehle/Reuters)

Mit dem Vorstoß, der auch ein wenig wie eine Werbeofferte daherkommt, sind indes schon zwei von drei Vorschlägen angesprochen, mit denen die gesamte Autobranche Fahrverbote abwenden möchte: indem in besonders belastenden städtischen Gebieten die Autos weniger genutzt werden, soll die Luft besser werden. Dazu möchte die Industrie auch einen Fonds auflegen, idealerweise "partnerschaftlich" finanziert, also auch mit Steuergeld, um den Nahverkehr zu stärken oder eben Car- und Bikesharing. Zugleich wollen die Automanager Umweltprämien vorschlagen, so wie von Ford bereits verkündet: Damit sollen Anreize zum Kauf saubererer Diesel- oder Elektroautos geschaffen werden. Und schließlich, dies findet sich bei Ford derzeit nicht: Die bereits weitgehend ausdiskutierte Erneuerung der Motorsoftware bei Euro-5- und auch Euro-6-Dieseln soll generell kommen. Mit Softwarelösungen für mehrere Millionen Fahrzeuge könnten Stickoxid-Emissionen auf der Straße "schnell und effektiv gesenkt werden", sagte der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, der Deutschen Presse-Agentur. "Wir gehen davon aus, dass eine Verringerung der realen Stickoxid-Emissionen von durchschnittlich mindestens 25 Prozent möglich ist." Das scheint sich einigermaßen zu decken mit dem, was Teile der Politik fordern. Aber unklar ist, ob das reichen wird. Und ob die zwei Stunden Diskussion an diesem Mittwoch genügen. Verbotsmaßnahmen wollen die Manager abwenden und irgendwie auch das ramponierte Image des Diesels retten, von dem auch viele Arbeitsplätze abhängen.

Letztlich werden das die Verwaltungsgerichte entscheiden und nicht der Diesel-Gipfel. Politiker und auch das Verwaltungsgericht Stuttgart meldeten daran zuletzt Zweifel an und forderten weitergehende Maßnahmen. Es könnte sein, dass ohne Nachrüstung von Hardware-Katalysatoren Fahrverbote kommen - und auch Fahrrad-Programme und Kaufanreize dabei nichts helfen. Noch am Dienstagnachmittag telefonierten die Manager zwischen den Konzernzentralen deshalb eifrig - nach der Vorstandsvorsitzenden-Telefonkonferenz am Montagabend - wohl auch, um zu überlegen, ob die etwa 1000 bis 2000 Euro teure Katalysatoren-Lösung nicht doch machbar ist. "Die Branchenhaltung ist noch nicht klar", hieß es jedenfalls übereinstimmend von verschiedenen deutschen Herstellern, zugleich aber auch, dass die Zertifizierung lange dauern würde und dass diese aufwendige Lösung gegebenenfalls in ganz Europa umgesetzt werden müsste, zu dann wirklich immensen Kosten. Ford übrigens formuliert es so in Zeiten der schlechten Luft: "Keine Maßnahme sollte ungeprüft bleiben."

Unklar war auch die Haltung der ausländischen Hersteller. Die Fabrikate von Renault, Nissan, Peugeot, Volvo und den anderen stellen ein Fünftel der Diesel-Flotte, sind also auch für ein Fünftel der Abgase verantwortlich, wenn nicht sogar für deutlich mehr. Denn in den Prüfungen der Behörden, aber auch von Umweltverbänden, tauchen ausländische Fabrikate oft oben auf den Ranglisten der schmutzigen Autos auf. "Unsere Mitglieder werden sich nicht gegen sinnvolle Lösungen zur Verbesserung der Luft sperren", hieß es am Dienstag vom Importeursverband VDIK. Allerdings war auch hier eine gemeinsame Haltung schwierig festzustellen: 34 Mitglieder, die teils auch nur wenig oder keine Dieselmotoren in ihren Wagen haben - das machte die Ausgangslage nicht einfacher.

© SZ vom 02.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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