Krise an Kreditmärkten:Notenbanken greifen erstmals ein

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Die Europäische Zentralbank und andere Notenbanken stellen den Banken kurzfristig mehr als 100 Milliarden Euro bereit, um Engpässe bei der Geldversorgung zu überbrücken. Die EZB greift damit erstmals in die Krise an den Kreditmärkten ein.

Helga Einecke und Martin Hesse

Der Grund für diese größte Finanzspritze der Geschichte der Notenbank war die Sorge, dass die Krise am amerikanischen Hypothekenmarkt die europäischen Banken und Finanzmärkte stärker erfassen könnte als bislang angenommen. Viele Kreditinstitute deckten sich daher am Donnerstag kurzfristig mit Geld ein, um über genügend flüssige Mittel zu verfügen.

Am europäischen Geldmarkt schossen darauf hin die Zinsen in die Höhe: Die Banken mussten am Donnerstag nicht nur vier Prozent zahlen, um sich mit Geld einzudecken, sondern bis zu 4,7 Prozent. Die Europäische Zentralbank (EZB) reagierte auf die Spannungen prompt: Sie pumpte auf einen Schlag mehr Geld in den Markt als jemals zuvor.

Gemeinsame Aktion der Notenbanken

Die Notenbank lieh den Banken kurzfristig 95 Milliarden Euro zu einem festen Zinssatz von vier Prozent. Auch die amerikanische Notenbank stellte den Banken 24 Milliarden Dollar zusätzlich bereit, die Zentralbanken der Schweiz und Kanadas pumpten ebenfalls frisches Geld in den Markt. Offenbar hatten sich die Notenbanken zuvor untereinander abgesprochen.

Die Banken hätten auf das Angebot "wie bei einem Schlussverkauf in einem Kaufhaus'' reagiert, sagte Ulrich Karrasch, Händler der HypoVereinsbank, der Nachrichtenagentur Bloomberg: "Sie haben versucht, alles zu bekommen, was möglich war''. Daraufhin gaben die Zinsen am Geldmarkt wieder nach.

An den Finanzmärkten rund um den Globus kam es vor aber auch nach dieser Stützungsaktion zu heftigen Turbulenzen.Der Euro verlor im Vergleich zum Dollar gut einen Cent auf knapp 1,37 Dollar. Anleger flüchteten sich in sichere Anlagen. Die Kurse für Staatsanleihen zogen an, während der Deutsche Aktienindex Dax zwei Prozent einbüßte.

An den US-Börsen setzte sich am Abend der Kursverfall fort. Besonders Banktitel gerieten unter Druck, nachdem Meldungen kursierten, große Hedge-Fonds der Investmentbanken Goldman Sachs und JP Morgan hätten erhebliche Verluste erlitten. Auch die Kurse von Rohstoffen wie Öl, Blei und Kupfer brachen am Donnerstag ein.

Weitere Fonds schließen

Auslöser für den Kursrutsch bei den Bankaktien waren Meldungen darüber, dass weitere Fonds geschlossen wurden. Zunächst hatte die französische Großbank BNP Paribas drei Fonds mit einem Volumen von 1,6 Milliarden Euro eingefroren und damit Anlegern den Verkauf der Papiere versperrt.

Die Fonds hatten einen Teil ihres Geldes an dem angeschlagenen US-Hypothekenmarkt investiert und in den vergangenen zwei Wochen 20Prozent an Wert verloren. Auch die deutsche Privatbank Sal. Oppenheim sah sich gezwungen, einen Fonds mit einem Volumen von 750 Millionen Euro vorerst zu schließen. Spekulationen gab es auch um einen Fonds der Deutsche-Bank-Tochter DWS.

Der Fonds investiert wie der Oppenheim-Fonds in Immobilien- und Hypothekenkredite; er ist mit 2,3 Milliarden Euro der schwerste seiner Art in Deutschland. Nach einem Bericht des Magazins Fonds Professionell haben Anleger in den vergangenen zwei Wochen 500 Millionen Euro aus dem DWS-Fonds abgezogen.

Ein DWS-Sprecher bestätigte am Abend, es habe Abflüsse aus dem Fonds gegeben, zur genauen Höhe machte er aber keine Angaben. Der Fonds sei weiterhin offen und enthalte nur Wertpapiere erstklassiger Bonität. Für Verunsicherung an der Börse sorgten zudem Gerüchte, nach der Mittelstandsbank IKB sei eine weitere deutsche Bank in eine Schieflage geraten. Marktteilnehmer rätselten über die Bonität der Westdeutschen Landesbank (WestLB) sowie deren Engagement am US-Hypothekenmarkt.

"Von einer Liquiditätskrise kann bei der WestLB keine Rede sein'', sagte ein Sprecher des Instituts. Das Engagement am US-Hypothekenmarkt halte sich in engen Grenzen. Die Spekulationen über eine neue Schieflage waren aufgekommen, weil sich bei der Bundesbank am Donnerstag Bankenvertreter zu einer Sitzung trafen.

Dabei ging es jedoch nur darum, das bereits vereinbarte Rettungspaket für die IKB unter der Federführung des Hauptaktionärs KfW Bankengruppe festzuzurren. (SZ vom 10. August 2007)

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