Kreditwirtschaft:Fatale Fehlprognose

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Wie eine Hypothekenbank am Ruf des deutschen Pfandbriefmarktes kratzt.

Helga Einecke

Bankenaufsicht, große Geldhäuser und die Gewerkschaften können aufatmen: Mit der Allgemeinen Hypothekenbank Rheinboden (AHBR) ist das größte Sorgenkind des deutschen Finanzgewerbes verkauft. Die AHBR stand vor dem Zusammenbruch und drohte, den Ruf des deutschen Pfandbriefmarkts zu ruinieren.

Die in Frankfurt ansässige Spezialbank ist einem breiten Publikum wenig bekannt, aber sie rangierte noch 2004 nach den erheblich größeren Instituten Eurohypo und Hypo Real Estate auf Platz drei unter den hiesigen Hypothekenbanken.

Welches Schicksal die 350 Mitarbeiter unter der Regie des Käufers, dem US-Investor Lone Star, erwartet und wie die AHBR neu ausgerichtet wird, bleibt zunächst offen.

Spott und Häme

Aber wie das Desaster begann, ist bekannt. Es handelt sich um ein Missmanagement mit schwerwiegenden Folgen.

Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 setzten die Fachleute der Bank auf steigende Zinsen, fädelten entsprechende Geschäfte ein, aber die Zinsen fielen und die eigenen Verluste stiegen.

In den Folgejahren rollten Köpfe - bei der Bank, den Kontrolleuren und den Eigentümern. Die Bankenaufsicht griff ein. Die Eigentümer, die Gewerkschaftsholding BGAG und der Baufinanzierer BHW, mussten dreimal dreistellige Millionenbeträge hergeben, insgesamt 1,25 Milliarden Euro, um die Hypothekenbank über die Runden zu bringen.

Zwar stellten die Gewerkschaften die Bausparkasse und die Hypothekenbank als Paket zum Verkauf, aber die Interessenten winkten ab, wegen der unattraktiven AHBR.

In diesem Herbst spitzte sich die Lage zu, und es passierten viele Dinge auf einmal. Am Markt kursierten Gerüchte, der Hypothekenbank gehe das Geld aus. Die Gewerkschaftsholding BGAG verkaufte die Bausparkasse BHW an die Postbank, ohne den lästigen Klotz AHBR, und kurz darauf ihre Wohnbaugesellschaft Baubecon an den US-Investor Cerberus.

Das bedeutete frisches Geld (1,7 Milliarden Euro) für die Gewerkschaften, allerdings mit dem Versprechen, auch für die marode Hypothekenbank eine Lösung zu finden. Diese Lösung könne auch "final" sein, ließen die Gewerkschaften verlauten. Die AHBR selbst schloss eine "vollständige Liquidation" nicht aus. Solche Töne waren Gift für handelbare Wertpapiere, selbst für die renommierten Pfandbriefe, die durch Rechte an Grundpfand grundsolide abgesichert sind. Der Handel stockte, Rating-Agenturen stuften die Verbindlichkeiten der AHBR herab.

Der Bankenverband und die Bankenaufsicht bemühten sich um Schadensbegrenzung. Der AHBR sei durch den Einlagensicherungsfonds abgesichert, die Kundeneinlagen geschützt, erklärte die Interessenvertretung der privaten Banken. Die Entwicklung bei der AHBR ändere an der Qualität des deutschen Pfandbriefs nichts, an den Märkten würden wieder Kurse gestellt. Die Bankenaufsicht sprach kryptisch von einer "Abschirmungsvereinbarung".

Deren Ausmaß wurde im November öffentlich. Die fünf größten privaten Banken - also die Deutsche Bank, die Commerzbank, die Dresdner Bank, die HypoVereinsbank und die Postbank - mussten zusammen für den Notfall 2,5 Milliarden Euro zur Verfügung stellen.

Liquiditätshilfe nennen die Fachleute eine solche Geldspritze. In welchem Umfang sie in Anspruch genommen wurde, ist nicht bekannt. Aber bitter war der tiefe und teuere Fall einer Gewerkschaftsbank für das private Geldgewerbe allemal.

Die Gewerkschaften wiederum standen umgekehrt unter starkem Druck, die AHBR möglichst am Stück loszuschlagen. Das dürfte sie nochmals eine Stange Geld gekostet haben, in der Branche ist von 400 Millionen Euro die Rede, die Lone Star als Aufpreis erhielt.

Neben dem finanziellen Schaden müssen die Gewerkschaften bei ihrem überfälligen Abschied von der Gemeinwirtschaft Spott und Häme einstecken. Denn die Aufkäufer von AHBR und Baubecon sind just jene ausländischen Investoren, die gewerkschaftliche Funktionäre gern als "Heuschrecken" und üble Kapitalisten titulieren.

© SZ vom 10.12.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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