Korruptions-Verdacht:Siemens soll Menem bestochen haben

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In der Schmiergeldaffäre bei Siemens gibt es neue Anhaltspunkte für den Verdacht, Argentiniens Ex-Präsident Menem sei bestochen worden. Der Konzern könnte dadurch fast 200 Millionen Euro verlieren. Bewiesen ist aber noch nichts.

Klaus Ott

Das Vorhaben mit dem Kürzel DNI, das im Oktober 1998 vertraglich vereinbart wurde, wäre eines der größten und ertragsreichsten Projekte der Siemens AG in Südamerika gewesen.

In der Schmiergeldaffäre bei Siemens gibt es neue Anhaltpunkte für den Verdacht, Argentinische Ex-Präsident Carlos Menem sei bestochen worden. (Foto: Foto: AP)

Das aus Deutschland stammende Industrieunternehmen sollte ein elektronisches System für Grenzkontrollen, digitale Personalausweise, Datensammlungen und Wählerlisten aufbauen und betreiben. Von der damaligen Regierung unter Präsident Carlos Menem erhielt Siemens den Zuschlag, per Dekret 199/1998. Der Auftragswert belief sich auf gut eine Milliarde ES-Dollar.

Inzwischen bereitet das DNI-Projekt Siemens nichts als Ärger und könnte den Konzern sogar fast 200 Millionen Euro kosten. Das seinerzeit geplante Grenzkontroll-System entwickelt sich zu einem der spektakulärsten Verdachtsfälle in der Korruptionsaffäre.

Erkenntnisse aus den internen Ermittlungen bei Siemens besagen, dass Menem und zwei seiner wichtigsten Gefolgsleute mit Millionenbeträgen geschmiert worden sein sollen, um den Auftrag zu erhalten. Inzwischen ist im Detail bekannt, wie viel Geld angeblich wie geflossen sein soll. Siemens äußert sich dazu nicht.

Nach der Abwahl der Regierung Menem Ende der 90er Jahre war das Projekt von der Nachfolgeregierung unter Präsident Fernando de la Rua erst gestoppt, neu vereinbart und dann endgültig gekündigt worden. Bei einem internationalen Schiedsgericht bei der Weltbank in Washington forderte Siemens anschließend Schadenersatz, weil das deutsch-argentinische Investitionsschutzabkommen verletzt worden sei.

Das Schiedsgericht gab dem Konzern im Februar 2007 Recht. Der Schadenersatz, fällige Zinsen und weitere Ansprüche von Siemens belaufen sich seitdem auf insgesamt fast 200 Millionen Euro.

Widerspruch gegen Schadenersatz

Durch die neuen Erkenntnisse aus den Schmiergeldermittlungen könnte der Konzern jetzt sämtliche Ansprüche verlieren. Vor wenigen Wochen, am 6. Juli 2008, legte Argentinien Berufung gegen den Schiedsspruch aus Washington ein. Begründung: das DNI-Projekt sei durch Schmiergeldzahlungen zustande gekommen. Die "neuen Tatsachen" führten zu dem Ergebnis, dass der Investitionsschutz in diesem Fall nicht gelte.

Ob Siemens angesichts dieser Entwicklung überhaupt noch darauf pocht, dass Argentinien den Schiedsspruch aus Washington erfüllt und für das stornierte DNI-Projekt Schadenersatz leistet, ist unklar. Der Konzern äußerte sich auf eine entsprechende Anfrage der SZ nicht. Ein Unternehmenssprecher bat um Verständnis dafür, dass man zu Details der laufenden Untersuchungen derzeit keine Stellung nehme.

Die Details aus den Ermittlungen, die Menem belasten, dürften für neue Aufregung in Argentinien sorgen. Der Ex-Präsident steht dort seit langem in Verdacht, unsaubere Geschäfte getätigt zu haben. Ein Richter aus der Hauptstadt Buenos Aires, der den Fall DNI bearbeitet, hat die Münchner Staatsanwaltschaft um Auskünfte gebeten.

Erste Informationen sind nach Angaben des Richters in Argentinien bereits eingetroffen. Nun will der Richter noch mehr wissen, um Menem vor Gericht bringen zu können.

US-Börsenaufsicht SEC hakt nach

Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt in diesem Fall genauso hartnäckig wie die für Siemens tätige US-Kanzlei Debevoise & Plimpton. Die Erkenntnisse von Debevoise gehen an Siemens, an die Staatsanwaltschaft und an die US-Börsenaufsicht SEC. Seit dem Gang an die New Yorker Börse im März 2001 unterliegt der Konzern auch der Kontrolle der SEC, die Korruption streng ahndet. Siemens droht ein Bußgeld in Milliardenhöhe - in Euro.

Noch im August wollen SEC-Fahnder nach München kommen und gemeinsam mit der hiesigen Staatsanwaltschaft selbst Zeugen und Beschuldigte vernehmen, auch zum Fall DNI und Argentinien. Ein Rechtshilfeersuchen der SEC liegt nach Angaben des Bundesamtes für Justiz in Bonn bereits vor. Auch die US-Fahnder sind gespannt auf die neuen Erkenntnisse über das DNI-Projekt.

Pepcon, Mirror, Finli - Scheinfirmen?

Laut den Ermittlungsergebnissen bei Siemens soll ein führender Manager der Landesgesellschaft Argentinien dortigen Politikern hohe Beträge für den DNI-Auftrag versprochen haben. Das Geld soll bis zur Abwahl der Regierung Menem teilweise auch schon geflossen sein.

- Menem selbst seien angeblich 16 Millionen US-Dollar zugesagt worden, wovon 4,4 Millionen über die Firma Pepcon in Costa Rica auch gezahlt worden seien.

- Dem damaligen Innenminister Carlos Corach seien angeblich 9,75 Millionen US-Dollar versprochen worden, wovon 6,4 Millionen über die Firma Mirror Development auch geflossen seien.

- Dem seinerzeitigen Leiter der (für das Passwesen bedeutsamen) Migrationsbehörde, Hugo Franco, seien angeblich ebenfalls 9,75 Millionen Euro zugesagt worden, wovon 1,9 Millionen über die Firma Finli Advisors auch gezahlt worden seien.

Siemens und offenbar auch der Staatsanwaltschaft liegen Zeugenaussagen vor, wonach Siemens insgesamt bis zu 100 Millionen US-Dollar als Schmiergeld habe aufwenden wollen und zum Teil schon ausgegeben habe, auch für Bedienstete des Innen- und Wirtschaftsministeriums. Ein langjähriger Siemensianer sagt, die Unternehmen Pepcon, Mirror Development und Finli Advisors seien "Scheinfirmen" gewesen, um zweifelhafte Zahlungen zu kaschieren.

So detailliert die Anschuldigungen auch sein mögen, bewiesen ist noch nichts. Auch für Ex-Präsident Menem und dessen damalige Gefolgsleute gilt bis zum einem eventuellen Gerichturteil die Unschuldsvermutung.

Der Spiegel, der ebenfalls über diesen Fall berichtet, hatte nach eigenen Angaben vergangene Woche vergeblich versucht, die angeblichen Geldempfänger für eine Stellungnahme zu errechen.

Menem hat unterdessen noch viel vor. Er hat gerade wieder einmal angekündigt, in die Politik zurückkehren zu wollen.

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