Korruption:Herr D. packt aus

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Fingierte Rechnungen und schwarze Kassen - in der BMW-Schmiergeldaffäre hat ein Beschuldigter jetzt Details über die "Extrazahlungen" von Autozulieferern enthüllt.

Klaus Ott

Als die Kriminalpolizei Mitte August vergangenen Jahres sein Büro und die Wohnung filzte, da wollte Adolf D. schnell noch ein paar entlarvende Dokumente vernichten. In einem Augenblick, in dem er sich unbeobachtet fühlte, zerkratzte der Kaufmann eine silberne Scheibe. Auf der vermeintlichen CD, so glaubte D., seien Verträge und Rechnungen gespeichert, die ihn schwer belasten könnten. D. spielt als Makler von verbotenen Absprachen eine zentrale Rolle in einer Schmiergeldaffäre bei BMW und Zulieferern des Autokonzerns.

BMW unter Druck: Der Autokonzern hat nach eigener Darstellung nichts mitbekommen von den dubiosen Machenschaften. (Foto: Foto: ddp)

Zwei Wochen vor dem Besuch der Kripo hatte der Kleinunternehmer, der von einem Städtchen in der Oberpfalz aus große Geschäfte in der Autobranche vermittelte, bereits die Festplatte seines Computers gesäubert - wie er später bei einer Vernehmung zugab. Aufgeschreckt worden war der Kaufmann durch eine Meldung im Fernsehen.

Die Münchner Staatsanwaltschaft hatte einen BMW-Direktor wegen Korruptionsverdacht verhaften lassen. Der Direktor soll von Zulieferern heimlich 1,6 Millionen Euro für lukrative Aufträge kassiert haben. Von Firmen, die Kopfstützen, Armlehnen, Edelholzfurniere und vieles andere produzieren. Was halt gebraucht wird, um schöne Autos zu bauen.

Umweg über die USA

Die Versuche von D., Beweise für verbotene Absprachen beiseite zu schaffen, halfen ihm nicht viel. Die Strafverfolger wurden trotzdem fündig. In Kürze soll die Anklage gegen den von BMW geschassten Direktor vorliegen, der nach wie vor im Gefängnis sitzt.

Anschließend will die Staatsanwaltschaft weitere Beschuldigte vor Gericht bringen. Ermittelt wird gegen den BMW-Direktor, zwei weitere ehemalige Mitarbeiter des Konzerns und fünf Zulieferer. Teils liegen Geständnisse vor, darunter von Adolf D., der in der Nähe von Amberg wohnt. Der Kaufmann, der gern Golf spielt und zeitweise auf sein Hobby verzichten musste, weil er in Untersuchungshaft saß, kennt sich aus in der Welt der Automobile.

Ende der neunziger Jahre hatte sich D. selbstständig gemacht und begonnen, allerlei Geschäfte anzubahnen, teils legal, teils illegal. Früher war der Oberpfälzer im Kundenmanagement der Grammer AG tätig gewesen, einem Unternehmen mit Stammsitz in Amberg, das jährlich für gut 800 Millionen Euro Sitze, Kopfstützen und anderes Zubehör an Konzerne wie BMW verkauft und mehr als 8.000 Mitarbeiter beschäftigt. Auch Grammer soll in die Schmiergeldaffäre verwickelt sein, wie D. den Fahndern berichtete.

Dubiose Geldtransfers

Nach ein paar Wochen Knast hatte der Oberpfälzer ausgepackt. Es war ein umfassendes Geständnis. Der 47-jährige Kaufmann erzählte von Geldtransfers über Konten in den USA; von Scheinverträgen und fingierten Rechnungen; von schwarzen Kassen; von Koffern in Schließfächern, in denen brisante Unterlagen versteckt worden seien; und vieles mehr.

Und er nannte jede Menge Namen, von Managern bei BMW und bei den Zulieferern, die an dem trüben Treiben beteiligt gewesen seien. Es ging nicht um Kleingeld und kleine Fische.

In Verdacht geraten sind auch zwei Konzerne aus den USA und Kanada, die für mehrere Milliarden Dollar im Jahr Autoteile herstellen. Die Staatsanwälte erfuhren von D. einiges über die Korruption in der Autoindustrie. Bestechung gehört dort wohl nicht zum Alltag, aber die große Ausnahme ist das offenbar auch nicht. D. sagte aus, es komme immer wieder mal vor, dass "Extrazahlungen" verlangt würden. In der Branche sei sehr wohl bekannt gewesen, dass der BMW-Direktor gerne die Hand aufhalte.

Der Autokonzern hat davon nach eigener Darstellung nichts mitbekommen. BMW erklärte auf Anfrage, "individuelles Fehlverhalten" könne nicht verhindert werden. Gegen bewusste Gesetzesverstöße gebe es keinen 100-prozentigen Schutz. Die Frage bleibt aber, wie über die Jahre hinweg all das geschehen konnte, was D. ausplauderte.

Kaum habe er sich selbstständig gemacht, da sei auch schon der BMW-Direktor, den er seit 1992 kenne, bei ihm auf der Matte gestanden. Er solle doch mal mit seinen Klienten reden, was es denen wert sei, um "überhaupt ins Geschäft zu kommen".

Also wandte sich D. nach eigenen Angaben an seinen ehemaligen Arbeitgeber, die Grammer AG. Einem damaligen Vorstandsmitglied habe er das Begehren des BMW-Direktors vorgetragen, aber eine ablehnende Antwort erhalten. Bei einer AG sei es nicht möglich, Mittel für solche Zwecke abzuzweigen. Ein Bekannter, der ebenfalls Zulieferverträge aushandele, habe jedoch einen Ausweg gewusst. Auch dieser Kaufmann, der einen kleineren Autozulieferer vertrat, zählt zu den Beschuldigten; auch er saß vorübergehend im Gefängnis; auch er räumte daraufhin seine Vergehen ein.

Ein perfekt funktionierendes System

Der Oberpfälzer und sein Spezi beschrieben der Staatsanwaltschaft ein lange Zeit perfekt funktionierendes System: Die beiden Mittelsmänner eröffneten Konten in den USA, so bei der First National Bank. Und sie gründeten dort Beratungsfirmen, etwa die AD Consult USA. Und über die gelang es, mit der Grammer AG und BMW doch ins Geschäft zu kommen.

Die AD Consult schickte Scheinrechnungen an Grammer, das Amberger Unternehmen zahlte auf die US-Konten. Von dort floss das Geld, abzüglich Steuern und Provisionen, zurück nach Deutschland und war frei verfügbar. D. übergab, wie er berichtete, dem BMW-Direktor und einem weiteren Angestellten des Autokonzerns nach und nach etwa 400.000 Dollar in bar. Mindestens 296.195 Dollar, das belegten noch vorhandene Quittungen, habe er einem Vertriebsmitarbeiter der Grammer AG überreicht. Der habe das Geld vermutlich an BMW-Beschäftigte weitergeleitet.

Eine Art Geldwäsche

Als Gegenleistung gab es, wie Verbindungsmann D. gestand, neben den Aufträgen auch Insider-Informationen über die internen Preislimits bei BMW für die jeweiligen Autoteile. So konnten alle in dem Schwarz- und Schmiergeldkartell gut verdienen. Auch andere Zulieferer nutzten laut Zeugenaussagen den Umweg über die USA, um sich Aufträge von BMW zu sichern.

Eine Art Geldwäsche war das, mit genau kalkulierten Beträgen, wie D. den Fahndern vorrechnete: Um 100.000 Dollar Schmiergeld zahlen zu können, mussten 183.370 Dollar in die USA transferiert werden. 66.700 Dollar waren für den Fiskus nötig. Die Provision belief sich auf zehn Prozent der zu versteuernden Summe, bei diesem Rechenbeispiel also 16.670 Dollar. Teilweise habe er auch nur fünf Prozent Provision bekommen, sagte D.; er bezifferte sein US-Einkommen auf fast 180.000 Dollar in den Jahren 2001 bis 2003.

Mister fünf bis zehn Prozent erzählte noch mehr. Ein Plot geht so: In den USA eröffnete ein Mitarbeiter des BMW-Direktors eines Tages selbst ein Bankkonto und zahlte mehrmals Bargeld ein. Die Auszüge ließ der BMW-Mann an die Privatadresse von D. in der Oberpfalz schicken. Angeblich, um den Kontostand vor seiner alkoholkranken Frau geheim zu halten. Was da dran ist, prüft die Staatsanwaltschaft; wie bei allen anderen Geschichten des Insiders.

Verschwundene CD

Die Grammer AG hat nach ihren Angaben Anfang des Jahres zwei Mitarbeiter gefeuert. Eine hausinterne Revision habe "Unregelmäßigkeiten" zutage gebracht. Die Revision sei wegen des Korruptionsverdachtes mit einer "lückenlosen" Sonderprüfung beauftragt worden. Sollten sich die Vorwürfe bestätigten, so eine Grammer-Sprecherin, werde es weitere Konsequenzen geben. "Wir dulden keine unsauberen Machenschaften."

Bereits im Dezember 2003 hatte Grammer offenbar die Zusammenarbeit mit D. beendet. Anschließend habe die Aktiengesellschaft, sagte der Oberpfälzer aus, auf seinem Computer alle Daten über die gemeinsamen Geschäfte löschen lassen. Er habe aber eine Sicherungskopie angefertigt. Und genau diese CD habe er, als die Kripo auftauchte, schnell noch zerkratzen wollen. Tatsächlich sei das aber nur eine DVD mit harmlosen Urlaubsbildern gewesen. Wo die Sicherungskopie geblieben sei, wisse er nicht mehr.

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