Konzessionen der US-Autogewerkschaft:Bis zur Selbstaufgabe

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Um die großen US-Autokonzerne zu retten, ist die Autogewerkschaft UAW zu historischen Zugeständnissen bereit - und setzt dafür ihre eigene Zukunft aufs Spiel.

Es geht um alles. Die Chefs der drei taumelnden US-Autokonzerne General Motors (GM), Ford und Chrysler bitten den Staat um Milliardenzuschüsse. Darlehen in Höhe von 34 Milliarden Dollar, so hatten sie unisono verkündet, seien zur Rettung der Unternehmen notwendig.

Mitarbeiter von General Motors bei einem Appell für die US-Autoindustrie: Die großen drei US-Autobauer GM, Ford und Chrysler stehen vor der Insolvenz. Die Autogewerkschaft UAW macht daher nun historische Zugeständnisse. (Foto: Foto: Reuters)

Wenn die Konzernlenker am Donnerstag vor den Kongress treten, haben sie ein gewichtiges Argument mehr. Denn selbst die United Auto Workers (UAW), die mächtige Gewerkschaft der Autoarbeiter, erkennt den Ernst der Lage - und ist zu Zugeständnissen bereit.

Die UAW wolle unter anderem Zahlungen der Konzerne in Höhe von mehreren Milliarden Dollar an einen Gesundheitsfonds stunden, sagte Gewerkschaftspräsident Ron Gettelfinger nach einem Krisengespräch am Mittwoch in Detroit.

Außerdem soll die sogenannte Jobs Bank ausgesetzt werden. Diese Einrichtung sichert entlassenen Mitarbeitern bis zu 95 Prozent ihres Gehalts. "Bei dem Begriff Zugeständnisse läuft es mir normalerweise kalt den Rücken herunter", sagte der Gewerkschafschef der New York Times. Trotzdem habe man sich für diesen Schritt entschieden.

Einen Zeitrahmen für die Änderungen bei der Jobs Bank nannte Gettelfinger nicht. Ein Teilnehmer des Krisentreffens in Detroit erklärte, die Änderungen würden bedeuten, dass sie nahezu komplett wegfalle. Mehrere Kongressmitglieder hatten die Autobauer im November dafür kritisiert, dass sie unbeschäftigte Arbeiter bezahlen. In den Job-Banks-Programmen sind derzeit rund 3500 Mitarbeiter vom GM, Chrysler und Ford registriert.

Gettelfinger sagte, die Gewerkschaft sei zu neuen Verhandlungen in einzelnen Punkten bereit. "Wir werden uns hinsetzen und die Mechanismen ausarbeiten", sagte der UAW-Chef. Die Gespräche mit GM sollten sofort aufgenommen werden. Allen Änderungen müssten allerdings Gewerkschaftsmitglieder vor Ort zustimmen.

"Ein historischer und furchtbar schwieriger Moment"

Die Stundung der Zahlungen in den Gesundheitsfonds müssen die Bundesgerichte billigen. GM sollte Anfang kommenden Jahres mehr als 7,5 Milliarden Dollar zahlen, Ford schuldet dem Fonds bis zum Jahresende 6,3 Milliarden Dollar.

Arbeitsmarktexperten glauben, die Entscheidung der UAW zeige deutlich, wie prekär die Lage der Detroiter Autofirmen ist. Die Zugeständnisse bedrohten sogar die Überlebenschancen der Gewerkschaft. "Es ist ein historischer und furchtbar schwieriger Moment für die UAW", sagte Harley Shaiken von der Universität von Kalifornien der New York Times.

Momentan kostet ein UAW-Arbeiter General Motors, inklusive Sozialbeiträgen und Pensionen, etwa 74 Dollar pro Stunde. Toyota zahlt lediglich 45 Dollar für eine Arbeitsstunde in den USA.

Die UAW sind eine der mächtigsten Gewerkschaften Amerikas. Trotz eines zuletzt galoppierenden Mitgliederschwundes sind in ihr immer noch 465.000 Arbeitnehmer organisiert.

Gegründet wurde die UAW innerhalb des Gewerkschaftsbundes AFL-CIO im Mai 1935. Nach dem historischen Streik, der von Dezember 1936 bis Februar 1937 dauerte, akzeptierte General Motors die UAW als Verhandlungspartner.

GMs Konkurrenten leisteten zunächst Widerstand, doch schließlich machten auch Chrysler und American Motors ihren Frieden mit der Gewerkschaft. Der stärkste Gegendruck kam von Ford. Firmengründer Henry Ford schwor zunächst, dass die UAW in seinem Unternehmen nur "über seine Leiche" Einfluss erlangen werde und setzte Spitzel ein. Diese sollten die Gewerkschaftsaktivitäten in der Belegschaft unterbinden. Wegen dieser Auseinandersetzungen nahmen die UAW und Ford erst 1941 Tarifverhandlungen auf.

Machtgewinn in den 50er und 60er Jahren

In den guten Jahren der US-Autoindustrie in den 1950er und 1960er Jahren wuchs die Macht der UAW analog zur Mitgliederzahl, die 1979 die Marke von 1,5 Millionen überstieg. In dieser Zeit holten die UAW beispiellose Vergünstigungen für ihre Mitglieder heraus, die zu den bestbezahlten Arbeitern in den USA zählten. Sie bezogen Rente und eine lebenslange Krankenversicherung auf Firmenkosten.

Mit diesen Privilegien legten die UAW allerdings auch den Grundstein für ihren anschließenden Bedeutungsverlust. Denn durch den Aufstieg der japanischen Autoindustrie verloren die teuer produzierenden US-Autohersteller immer mehr an Wettbewerbsfähigkeit. Auch das Fehlen von Flächentarifverträgen in den USA setzten die UAW unter Druck: In den neuen Autowerken, die ausländische Hersteller vor allem im Süden der USA errichteten, war ihr Einfluss von vorneherein begrenzt. Die UAW verloren an Mitgliedern und führen seit Jahren Rückzugsgefechte.

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