Konjunkturpaket II:Ein Sammelsurium, das hilft

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Die Koalition wird mit ihrem zweiten Konjunkturpaket die Rezession zwar nicht verhindern, aber dämpfen. Kurzfristige Effekte sind nicht zu erwarten. Eine Außenansicht

Christoph M. Schmidt

Die Bundesregierung hat sich nach langem Zögern zu einem zweiten Konjunkturpaket durchgerungen. Diese Entscheidung ist richtig. Angesichts einer dramatischen Abschwächung der Produktion muss der Staat versuchen, die Wirtschaft zu stabilisieren. Wenn die Krise dadurch kürzer und weniger schwer ausfällt, dann begrenzt diese teure Intervention sogar die öffentliche Schuldenlast. Die entscheidende Frage lautet jetzt: Welche Wirkung kann man vom Konjunkturpaket II erwarten?

Christoph M. Schmidt ist Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung, Essen. (Foto: Foto: oh)

Eine pauschale Vorhersage ist angesichts des beschlossenen Sammelsuriums kaum möglich. Die bunte Mischung des Konjunkturpakets belegt eindrucksvoll, dass die Kunst der Politik oft ins Handwerk der Kompromisse mündet. Kaum ein Vorschlag, der in jüngster Zeit diskutiert wurde, fehlt. Um nicht alle Grenzen zu sprengen, wurden jedoch die meisten Elemente, manchmal zum Glück, sehr sparsam dosiert: Die Steuern sinken, aber nur ein bisschen. Die Beiträge zur Krankenversicherung sinken, aber nur so viel, wie sie zu Jahresbeginn angehoben wurden. Die Automobilindustrie wird durch eine Abwrackprämie gestützt, verbunden mit einem Quäntchen Technologieförderung. Sogar ein kleiner Konsumgutschein hat es ins Paket geschafft, verkleidet als einmaliger Zuschlag zum Kindergeld.

Pflicht zur kühlen Sachanalyse

Beide Seiten der Koalition konnten mit diesem Patchwork-Paket ihr Gesicht wahren. Die Größe der politischen Schnittmenge erklärt auch, warum ein 18 Milliarden Euro schweres Investitionsprogramm zum wichtigsten Bestandteil des Pakets geworden ist. Vertreter aller Parteien sind sich einig, dass mehr Geld für Infrastruktur und Bildung eine gute Sache ist. Was könnte man als Politiker zu Beginn eines Wahljahres auch anderes behaupten?

Ökonomen unterliegen nicht den Zwängen der politischen Strategie. Dieses Privileg verpflichtet uns zur kühlen Sachanalyse. Was bleibt vom erhofften Wunderelixier für die Konjunktur übrig, wenn man die Zutaten der Mixtur einzeln bewertet? Der größte Teil des Geldes wird für "Zukunftsinvestitionen der öffentlichen Hand" aufgewendet, für den "Investitionsschwerpunkt Bildung", so heißt es. Mit diesem Etikett wird suggeriert, diese Investitionen würden Wachstum und Beschäftigung dauerhaft steigern.

Bei nüchterner Betrachtung wird vor allem in Farbe, neue Fenster und Wärmedämmung investiert, wohl auch in neues Mobiliar für Schulen und Universitäten. "Maler, Maurer und Möbel" wäre als Bezeichnung ehrlicher gewesen. Der regierungsamtliche Euphemismus offenbart ein Grundproblem konjunkturpolitisch motivierter Investitionen: Was sich rasch umsetzen lässt, hilft dem Wachstum wenig; was dem Wachstum helfen würde, ist aber nur nach gründlicher Planung realisierbar - zu spät für kurzfristig erhoffte Konjunktureffekte.

Lesen Sie im zweiten Teil, warum die Maßnahmen kurzfristig keine große Wirkung erzielen werden - und warum eine Senkung der Einkommensteuer sinnvoller wäre.

Selbst die jetzt geplanten Investitionen werden sich wohl nicht so schnell realisieren lassen, wie es oft behauptet wird. Zum einen ist noch unklar, wie und wann das Geld bei den Kommunen - dem größten Investor in den angesprochenen Bereichen - ankommt und wofür sie es verwenden dürfen. Außerdem sind viele Kommunen dermaßen hoch verschuldet, dass sie eigentlich erforderliche Eigenanteile gar nicht aufbringen könnten.

Darüber hinaus ist fraglich, ob die Kapazitäten in der öffentlichen Verwaltung zum Management der beschlossenen Investitions-Milliarden ausreichen: Würde die Hälfte der angekündigten Investitionen von 18 Milliarden Euro noch in diesem Jahr realisiert, müsste das Volumen der öffentlichen Auftragsvergabe um ein Viertel im Vergleich zum Vorjahr steigen. Der Rückgang der öffentlichen Investitionen seit Mitte der neunziger Jahre ist aber nicht spurlos am Personalbestand der Bauämter vorbeigegangen. Lange Staus bei der Auftragsvergabe sind daher wahrscheinlich - es sei denn, mehr Aufträge werden künftig freihändig, ohne große Prüfung, vergeben. Damit würde aber die Gefahr steigen, dass die Mittel ineffizient verwendet werden.

Vor diesem Hintergrund hatte das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) bereits im vergangenen November empfohlen, dass die Regierung beim zweiten Konjunkturpaket auf eine von Jahresbeginn an wirksame Senkung der Einkommensteuer im Volumen von 25 Milliarden Euro setzen sollte. In der Kompromissmaschine der großen Koalition hatte dieser Vorschlag aber keine Chance.

Trotzdem gilt, dass eine andere Mischung dem Konjunkturpaket gutgetan hätte: weniger Investitionen, keine Abwrackprämie, statt dessen eine größere Steuerentlastung als die jetzt für 2009 und 2010 beschlossenen neun Milliarden. So wenig öffentliche Investitionen ihren uneingeschränkt guten Ruf als schnell wirkende Konjunkturstimulanz verdienen, so wenig ist das konjunkturpolitisch schlechte Image von Steuersenkungen gerechtfertigt. Eine schnelle und deutliche Entlastung hätte den Steuerzahlern mehr Kaufkraft im Portemonnaie gelassen.

Wichtige Impulse

Das Gegenargument, diese Mittel würden gespart und seien für einen Konjunkturimpuls verloren, überzeugt bei einer dauerhaft angelegten Steuersenkung nicht: Warum sollten die Bürger mehr sparen, wenn sie darauf vertrauen können, auch künftig weniger Steuern zu zahlen? Das Volumen der jetzt beschlossenen Steuersenkung ist jedoch zu klein, um einen durchschlagenden Effekt erzielen zu können. Es reicht nicht einmal aus, um jene heimlichen Steuererhöhungen vollständig an die Bürger zurückzugeben, die seit der Steuertarifreform von 2005 durch die kalte Progression entstanden sind. Denn wenn bei einer Inflation von zwei Prozent das Brutto-Einkommen eines Steuerzahlers um zwei Prozent steigt, dann steigt auch seine Steuerlast, obwohl sich sein reales Einkommen gar nicht verändert hat.

Trotz der Mängel im Detail gilt: Das Konjunkturpaket wird der Wirtschaft wichtige Impulse geben. Nach Berechnungen mit dem RWI-Konjunkturmodell fällt das Wachstum in diesem Jahr um rund 0,5 Prozentpunkte höher aus, als es ohne Paket der Fall gewesen wäre. Im kommenden Jahr reduziert sich der Impuls auf rund 0,3 Prozentpunkte. Doch die Relation dieser Impulse zum allgemein erwarteten Wachstumseinbruch von minus zwei Prozent oder mehr zeigt, dass der Staat die Rezession dämpfen, aber nicht verhindern kann. Das von der Koalition beschlossene Paket fängt den freien Fall der Wirtschaft auf. Als Sicherheitsnetz kann es nur die Fallhöhe reduzieren und schwere Verletzungen vermeiden. Den Weg nach oben muss die Wirtschaft dann wieder selbst finden.

Christoph M. Schmidt wurde vergangene Woche für den Rat der "Wirtschaftsweisen" nominiert. Er ist Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung, Essen.

© SZ vom 07.02.2009/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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