Konjunktur:Schicksal Export

Lesezeit: 2 min

Die Rezession trifft Deutschland härter als andere Staaten. Trotzdem sollte die Wirtschaft gerade jetzt auf alte Stärken vertrauen.

Nikolaus Piper

Die Deutschen haben die globale Krise mit Verzögerung wahrgenommen. Erst dachten Politiker und Meinungsmacher, das Ganze sei ein Problem der Amerikaner, nur um dann feststellen zu müssen, dass die Banken im eigenen Land noch fahrlässiger gewirtschaftet haben als die der Wall Street.

Warenumschlag am Hamburger Hafen: Weil Deutschlands Konjunktur stark vom Export abhängt, trifft die weltweite Rezession die Republik besonders schwer. (Foto: Foto: AP)

Man leistete sich elaborierte Debatten über das Ende des angelsächsischen Kapitalismus und erlebt jetzt den Realitätsschock: Die deutsche Wirtschaft wird von der Rezession noch viel stärker getroffen als die amerikanische. Unter den großen Industrieländern muss nur Japan einen noch stärkeren Rückgang der Wirtschaftsleistung hinnehmen als die Bundesrepublik. Ein harter Winter mit dramatisch steigender Arbeitslosigkeit steht bevor.

Der Grund für all das ist klar: Deutschland war und ist Exportweltmeister. Die Erfolge von BMW, Daimler, Porsche und den deutschen Maschinenbauern im Ausland drehen sich jetzt in ihr Gegenteil um. Der Absatz von Werkzeugmaschinen, Industrieanlagen und vielen anderen Produkten, bei denen die Deutschen führend sind, ist besonders konjunkturempfindlich, im guten wie im schlechten Sinne.

Es war daher unvermeidbar, dass die schwerste Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg einen entsprechenden Einbruch in Deutschland nach sich zieht. Dazu kommt die Kreditklemme. Kredite, mit denen Kunden überall auf der Welt ihre Siebener-BMWs und S-Klasse-Mercedes finanziert haben, sind knapp geworden. Zwei Fragen stellen sich jetzt: Soll Deutschland seine Abhängigkeit vom Export verringern? Und hat die Bundesregierung genügend getan, um das Schlimmste zu verhindern?

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum die Konjunkturpolitik der Bundesregierung weitgehend richtig ist - und wo das Problem in der Bankenpolitik liegt.

Zum Export: Die Vorstellung, die Deutschen sollten einfach mehr konsumieren und weniger exportieren, ist irreal. Die deutsche Industriestruktur ist zum Teil historisch bedingt, zum Teil das Ergebnis erfolgreichen Managements. Warum sollte man dies ändern wollen? Die Exportstärke wird im nächsten Aufschwung helfen. Überhaupt ist mehr Konsum nicht die Antwort. Mit einer Sparquote von elf Prozent sind die Deutschen angesichts ihres steigenden Altersdurchschnitts keinesfalls übermäßig sparsam.

Und selbst wenn man die Verbraucher massiv subventionieren würde - keiner von ihnen wird deshalb eine Turbine von Siemens kaufen. Richtig ist allerdings, dass Exportüberschüsse von sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts und mehr nicht durchzuhalten waren und deshalb nicht zurückkehren werden. Die Lücke, die dabei entsteht, ist aber nicht durch Konsum zu schließen, sondern nur, wenn beim nächsten Aufschwung im Inland mehr investiert wird.

Hat die große Koalition genug getan? Die Antwort heißt: teils, teils. Die Konjunkturpolitik im engeren Sinne stimmt. Deutschland hat innerhalb der EU das größte Konjunkturpaket verabschiedet und ist damit seiner internationalen Verantwortung nachgekommen. Zwar werden die Deutschen in den USA immer noch als übervorsichtig kritisiert, dabei übersehen die Kritiker jedoch meist, dass die hohen Sozialleistungen hierzulande automatisch stabilisierend wirken. Vieles, was in Präsident Obamas Konjunkturpaket steht, ist in Deutschland Gesetz. Es ist auch richtig, das Kurzarbeitergeld auf zwei Jahre auszudehnen. Dies kann ein Weg sein, um in einer Ausnahmesituation Zeit zu gewinnen.

Der große Schwachpunkt in der ganzen EU ist die Bankenpolitik. Die europäischen Banken haben sich im Durchschnitt stärker verschuldet als die amerikanischen, die Unternehmen hängen mehr von Bankfinanzierungen ab als in den USA, wo es mehr alternative Kapitalquellen gibt. Die Kreditmärkte Osteuropas sind komplett auf westliche Institute angewiesen. Gemessen daran verläuft die Bereinigung der Bankbilanzen und die Rekapitalisierung der Institute in der EU zu zögerlich und zu unkoordiniert.

Der Internationale Währungsfonds glaubt, dass die Banken der Euro-Zone noch 750 Milliarden Euro an frischem Kapital brauchen, ehe sich der Kreditmarkt normalisieren kann. Deutsche und Europäer insgesamt müssen sich darauf konzentrieren, wenn sie den nächsten Aufschwung nicht gefährden wollen.

© SZ vom 30.04.2009/kaf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: