Konflikt im Unternehmen:Und raus bist du

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Der Betriebsratsvorsitzender Ibrahim Ergin (M.) soll Azubis der Meyer-Werft zum Eintritt in die Gewerkschaft "genötigt" haben, so der Vorwurf. (Foto: Carmen Jaspersen/dpa)

Die Meyer-Werft will ihren Betriebsratschef feuern. Der Antrag scheitert zwar vor Gericht, trotzdem will der Konzern nicht aufgeben - auch wenn es den guten Ruf kostet.

Von Angelika Slavik, Lingen

Man könnte diese Geschichte als das Duell zweier Männer erzählen, die sich beide für Macht begeistern können. Eine Eigenschaft, die sie, zumindest derzeit, mehr trennt als eint. Dann stünden da: Bernard Meyer, 67, Chef der familieneigenen Meyer-Werft. Und Ibrahim Ergin, 41, einer seiner Mitarbeiter. Meyer und seine Geschäftsführerkollegen wollen Ergin fristlos kündigen. Aber Ergin ist nicht einfach irgendein Angestellter. Er ist der Chef des Betriebsrats. Deshalb geht es in dieser Geschichte nicht nur um eine Machtprobe, sondern auch um die Frage: Gibt es wirklich Umstände, die die Kündigung eines Betriebsrats, der ja eigentlich genau davor geschützt ist, rechtfertigen? Und falls ja - wie könnte man verhindern, dass ein Unternehmen solche Gründe nur vorschiebt, um einen missliebigen Arbeitnehmervertreter loszuwerden?

Ins Amtsgericht Lingen in Niedersachsen ist an diesem Donnerstag nur einer der Protagonisten gekommen: Ibrahim Ergin - Jeans, Sakko, keine Krawatte - erscheint kurz vor zehn Uhr in Zimmer Z.16. Eigentlich ist das ein Arbeitsrechtsprozess, aber das Arbeitsgericht von Lingen ist noch kleiner als das Amtsgericht, deswegen ist die Verhandlung verlegt worden. Raum Z.16 hat immerhin fünf Zuschauerreihen. Es gibt in dieser Gegend nicht viele Verfahren, die von bundesweitem Interesse sind.

Unten vor dem Fenster hält die Gewerkschaft IG Metall eine Solidaritätskundgebung für Ergin ab. "Ibi, Ibi", wird skandiert. Es gibt Fahnen und selbstgemalte Plakate. 250 Leute sollen gekommen sein, sagt die Gewerkschaft. Das ist vielleicht ein bisschen optimistisch geschätzt, aber Ergin darf sich ohne Zweifel einer Menge Unterstützer sicher sein. Man hört die Rufe bis in das Gerichtszimmer: "Ibi, Ibi".

Bernard Meyer ist nicht erschienen, er schickt seinen Geschäftsführer-Kollegen Lambert Kruse, der blass und schmallippig zwischen den beiden Anwälten des Konzerns sitzt. Zumindest im Ringen um die öffentliche Gunst ist das eine ungleiche Auseinandersetzung: Für das Image der Meyer-Werft ist der Konflikt desaströs. Sogar der Richter Christoph Schmedt sagt, er hätte sich noch vor ein paar Jahren niemals vorstellen können, "dass es ein solches Verfahren, Meyer-Werft gegen Betriebsratsvorsitzenden, geben könnte". Schließlich sei das Unternehmen in der ganzen Region für das partnerschaftliche Betriebsklima bekannt gewesen. Schmedt fragt, ob es denn nicht denkbar sei, einen Vergleich zu erzielen - schließlich könne so ein Verfahren durch alle Instanzen gehen und dann verharrten alle Beteiligten in dieser Situation, "und wir reden nicht nur über Monate".

Die Zuschauer raunen. Für das Unternehmen gibt es hier nichts zu gewinnen

Der Richter hatte bereits vor diesem Termin eine Mediation vorgeschlagen. Doch die Meyer-Werft ließ mitteilen, dass Voraussetzung für ein Schlichtungsverfahren sei, dass das Beschäftigungsverhältnis mit Ergin beendet wird. Aus Sicht Ergins und seiner Betriebsratskollegen gäbe es dann aber gar nichts mehr, worüber man noch reden könnte, schließlich ist ja die Weiterbeschäftigung des Betriebsratschefs der einzige Streitpunkt in diesem Verfahren. Schmedt fragt in die Runde, ob man sich vorstellen könnte, dass Ergin sein Betriebsratsmandat abgibt, aber weiterhin im Unternehmen arbeitet. Auf der Konzernseite erhellen sich die Gesichter. Der Anwalt des Konzernbetriebsrats lehnt das ab. Ein demokratisch gewählter Arbeitnehmervertreter könne nicht einfach von der Geschäftsleitung "entfernt" werden.

Bei der Meyer-Werft argumentiert man, dieses Verfahren sei nicht eines gegen einen Betriebsrat, sondern eines gegen "einen Menschen, eine Person", die "leider zufällig in Personalunion auch Betriebsrat" sei. Die Vorwürfe, die das Unternehmen vorbringt, klingen heftig: Ergin, sagt die Meyer-Werft, habe Auszubildende zum Eintritt in die Gewerkschaft "genötigt". Sechs junge Menschen haben das schriftlich ausgesagt, allerdings sollen die Vorfälle schon einige Jahre zurückliegen.

Der Anwalt des Konzerns beklagt die große öffentliche Aufmerksamkeit, die den Konflikt seit seinem Beginn begleite. Es gebe "Anfeindungen von allen Seiten" und "einen unglaublichen Druck auf die Geschäftsleitung". Durch den Saal geht ein verächtliches Raunen. Die armen Firmenbosse, gegängelt von den Arbeitnehmervertretern - mit dieser Version der Geschichte gibt es auch beim Publikum im Gerichtszimmer nichts zu gewinnen. "Ibi" hat die Sympathien auf seiner Seite.

Trotzdem ist das Unterfangen der Werft nicht völlig aussichtslos: Träfen die Vorwürfe tatsächlich zu, sagt der Richter, wäre das "natürlich inakzeptabel". Nach drei Stunden Beratungszeit mit zwei Schöffen ergeht dann der Beschluss: Der Antrag auf Kündigung des Betriebsratschefs wird abgelehnt - wegen eines Formfehlers. Lambert Kruse, der Geschäftsführer der Meyer-Werft, kündigt noch im Gericht an, dass der Konzern nun vor die nächste Instanz ziehen wolle.

© SZ vom 18.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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