Kommentar:Wieder aufwärts

Lesezeit: 3 min

Nach vielen Katastrophen-Szenarien gibt es nun positive Signale für die deutsche Wirtschaft. Wenn der Staat klug hilft, kann es schneller aufwärtsgehen als erwartet.

Von Marc Beise

Was denn jetzt? Eben noch beherrschten Katastrophen-Szenarien die Nachrichten über den Absturz der Wirtschaft, über Pleitenwellen und Massenarbeitslosigkeit, jetzt folgt eine gute Meldung der anderen. Soeben hat das Ifo-Institut den monatlichen Geschäftsklima-Index veröffentlicht: Nach schlimmen Vormonaten geht es erstmals wieder nach oben, nach dem Rekordtief von 74,2 Punkten im April sind es jetzt schon 79,5 Zähler, das ist klar mehr als vielfach erwartet. Passend dazu hat Sparkassenpräsident Helmut Schleweis im Interview mit der Süddeutschen Zeitung Entwarnung beim Geld gegeben: Von einer Kreditklemme könne keine Rede sein, viele Unternehmen seien finanziell gut darauf vorbereitet, wenn die Produktion nach dem Shutdown wieder hochfahre.

Die eine Nachricht ist so wichtig wie die andere. Das Ifo-Barometer wird zurecht viel beachtet, es speist sich aus der Befragung von mehr als 9000 Unternehmen. Was deren Manager den Wirtschaftsforschern in München melden, über die eigene Lage und die Erwartungen, summiert sich zu einem zuverlässigen Bild der Gesamtsituation. Während die befragten Unternehmen die aktuelle Lage - wen wundert es - weiterhin schlecht einschätzen, werden die Aussichten für das kommende halbe Jahr - und darauf kommt es an - spürbar besser bewertet. Und: Die Stimmung hellt sich in allen betrachteten Wirtschaftsbereichen auf. Schleweis wiederum spricht für insgesamt 377 Sparkassen, die einen guten Blick auf den deutschen Mittelstand haben.

In beiden Fällen gilt: Aktuelle Lage und Erwartungen sind zu trennen. Es ist ja keine Frage, dass die Situation derzeit schlecht ist. Schon im ersten Quartal, also von Januar bis März, ist die Wirtschaft um zwei Prozent geschrumpft, im zweiten Quartal wird es deutlich mehr werden. Für 2020 insgesamt rechnet die Bundesregierung mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 6,3 Prozent. Natürlich wird die Zahl der Firmenpleiten steigen und auch die Arbeitslosigkeit. Die Rede ist von der schlimmsten Rezession seit der Weltwirtschaftskrise in den Dreißigerjahren.

Ja, die Lage ist schlecht. Aber nach jeder Krise kam die Erholung

Es ist nicht alles gut, natürlich nicht. Da ist zunächst das Virus selbst. Kommt es in Ländern, die das Schlimmste hinter sich zu haben scheinen, zu einer zweiten Welle der Infektionen, muss es wieder Einschränkungen geben. Wie entwickelt sich die Lage in den Krisenstaaten wie vor allem den USA? Kluge Beobachter weisen auf die Risiken der Weltwirtschaft hin, von der die deutsche Exportwirtschaft abhängig ist, ferner auf Verkrustungen der industriellen Strukturen, auf mangelnde Digitalisierung, auf Systemmängel in schlecht organisierten Staaten. Auf möglicherweise dauerhaft veränderte Konsumgewohnheiten (Reisen, Fliegen), die jene Branchen besonders treffen, die bisher von diesen Verhaltensweisen leben.

Aber eines gilt doch auch: Nach jeder Krise ist bisher eine Erholung gekommen, und jeder Neuanfang ist auch eine Chance. Deutschland hat die Dinge nicht allein in der Hand, aber es kann den Neustart gestalten. Dabei ist der Moment des Wiederanspringens de Wachstumsmotors besonders kritisch, wenn die Unternehmen nämlich ihre Lager wieder schnell auffüllen müssen, wenn vermehrt Aufträge eingehen. Das wird, sagt der Sparkassenmann, funktionieren, denn die nötige Liquidität und die Kreditlinien sind organisiert. Mit durchschnittlich etwa 40 Prozent ist die Eigenkapitalausstattung des Mittelstandes vergleichsweise bemerkenswert.

Weil aber nicht alles finster ist, gibt es auch zu Panikreaktionen keinen Anlass. Zu diesen aber würden gezielte Hilfen für die Autobranche in Form von Kaufprämien zählen, den vorgeblich wichtigsten Wirtschaftszweig des Landes, jedenfalls den mit der machtvollsten Lobby.

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage, das vornehmste Beratergremium der Bundesregierung, hat in der vergangenen Woche zu Recht und ungewöhnlich einmütig vor solchen sektorspezifischen Maßnahmen gewarnt, die tendenziell bestehende Strukturen verfestigen, ohne eine durchschlagende konjunkturelle Wirkung zu erzielen. Richtiger wäre ein breit angelegtes Konjunkturpaket, das allen hilft: Steuerhilfen, Senkung der Energiekosten, staatliche Investitionen in Bildung und Infrastruktur.

Es gibt viele gute Möglichkeiten, einer sich erholenden Wirtschaft Schwung zu geben. Je besser die Maßnahmen sind, desto schneller kommt der nächste Aufschwung. Eine Garantie dafür gibt es nicht, aber die Chancen stehen besser, als von Kritikern erwartet.

© SZ vom 26.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: