Kommentar:Wer klagt, kommt zu spät

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Es ist eigentlich eine gute Idee, fehlsame Manger zu verklagen. Aber besser wäre es gewesen, die Aufsichtsräte hätten frühzeitig reagiert.

Von Marc Beise

Das Mitleid hält sich in Grenzen. Führungskräfte der Wirtschaft haben Privilegien, von denen ein Großteil der Gesellschaft nur träumen kann. Wenn sie an der Spitze von Großkonzernen stehen, bemisst sich ihr Jahresgehalt in Millionen Euro, häufig haben sie auch im Falle der Erfolglosigkeit Anspruch auf hohe Sonderzahlungen (Boni genannt), und wenn sie ihren Job vorzeitig verlieren, kommen sie mit der Abfindung locker bis ins Rentenalter. Weil das so ist, und weil die Vergütung der Spitzenmanager (nicht immer, aber gelegentlich und dann öffentlichkeitswirksam) jedes Maß verloren hat, beschleicht viele Bürger ein klammheimliches Gefühl der Schadenfreude, wenn wieder einer dieser gefallenen Stars mit einer Millionen-Klage überzogen und vor Gericht gezerrt wird: Geschieht denen gerade recht.

Jüngstes Beispiel ist der frühere CDU-Spitzenpolitiker Roland Koch, der anschließend von 2011 bis 2014 drei Jahre den Bau- und Dienstleistungskonzern Bilfinger führte und der jetzt vom Aufsichtsrat des Unternehmens spektakulär verklagt wird. Abgesehen davon, dass die Vorwürfe gegen Koch, er habe nicht für ordnungsgemäße Abläufe im Unternehmen gesorgt, noch nicht bewiesen sind und die Klage womöglich auf schwachem Fuß steht, ist der Fall dennoch exemplarisch spannend.

Er reiht sich ein in viele Verfahren der vergangenen Jahre, bei denen es um Korruption, Betrug oder verbotene Absprachen ging. Prominente Marken der deutschen Wirtschaft sind hier zu nennen: Siemens, Thyssenkrupp und natürlich Diesel-VW. Es kann ja, denkt man sich, nichts Besseres geschehen, als dass solche Vorgänge vor Gericht kommen. Einerseits.

Andererseits sind die Fälle oft so kompliziert, vielschichtig und schwer aufzuklären, dass das Ergebnis am Ende unbefriedigend ist. Es kommt vielleicht zu gar keiner Verurteilung oder zu einer Einstellung gegen die Zahlung einer hohen Geldsumme, die sich aber am Einzelfall orientiert, womöglich von der Versicherung abgedeckt ist und keine Signalwirkung hat.

Wenn etwas grundlegend schiefgelaufen ist, hätte das den Aufsichtsräten auffallen müssen

Erst recht gilt das, wenn nicht kriminelles Handeln in Rede steht, sondern schlicht schlechte Geschäftsführung, Missmanagement. Es ist unendlich schwierig, hier eine verlässliche Grenze zu ziehen zwischen zulässigem und erwünschtem Managen und klarem Fehlverhalten. Nicht einmal der Grad des Risikos kann hier ein Maßstab sein: Ein Chef, der kein Risiko eingeht, wird keinen Erfolg haben; wann aber war das Risiko sträflich groß, wann ist dem Handelnden das Scheitern schuldhaft anzulasten? Mit Hasenfüßigkeit jedenfalls ist weder dem Unternehmen noch der deutschen Wirtschaft insgesamt gedient.

Deshalb ist es durchaus auch heikel, wenn jetzt der Wind für die Chefs rauer wird. Immer häufiger beauftragen Unternehmen Anwälte, gegen frühere Vorstände und Geschäftsführer vorzugehen. Sie tun dies aus Sorge, sich andernfalls selbst angreifbar zu machen, sie werden von den großen Kanzleien aber auch in diese Verfahren gedrängt. Und speziell für Insolvenzverwalter gehört es fast schon zum Handwerk, gegen die früheren Führungskräfte vorzugehen, um möglichst noch etwas Geld in die leere Kasse zu bringen. Es ist en vogue zu klagen.

Wenn es so weit kommt, ist das regelmäßig kein Ruhmesblatt für die Aufseher, sondern eine Blamage. Die Kontrolleure müssten nicht klagen, hätten sie beizeiten ihren Job gemacht. Wenn wirklich etwas grundlegend schief gelaufen ist, dann ist das missliche System über Jahre gewachsen. Das muss Aufsichtsräten auffallen. Hier liegt in Deutschland einiges im Argen - ebenso übrigens wie beim Bemühen um eine gute Firmenkultur.

Dass viele Vorstände so abgehoben sind, dass sie Traumgehälter beziehen und teilweise jeden Kontakt zur normalen Welt verlieren, ist zunächst eine Charakterfrage dieser (fast immer noch:) Herren - es ist aber auch ein eklatantes Versagen der Aufsichtsräte. Man kann mitunter den Eindruck haben, hier schiebe sich eine Topmanager-Clique in einem eng gestrickten Netz von Abhängigkeiten gegenseitig die Pfründe zu.

Es wäre die vornehmste Aufgabe der Aufsichtsräte, die Manager immer wieder an ihre Verantwortung zu erinnern und sie dazu anzuhalten, den Laden gut zu organisieren. Dann muss man später auch nicht zum Anwalt rennen.

© SZ vom 23.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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