Kommentar:Weihnachten... und das liebe Geld

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Marc Beise erlebte bereits die Krise 2008 als SZ-Wirtschaftsredakteur. Es ist eine prägende Erinnerung. Illustration: Bernd Schifferdecker (Foto: ipad)

In der Zeit der großen Gefühle sollte man auch über das Geld reden: Wie verkraftet Deutschland den Zuzug so vieler Flüchlinge ökonomisch?

Von Marc Beise

In diesen Tagen ist feiertagsbedingt viel von Gefühlen die Rede, von Verantwortung, Solidarität und Mitmenschlichkeit. Das ist gut so, aber es kann nicht schaden, auch ein wenig über etwas so Schnödes nachzudenken wie das liebe Geld. Pecunia non olet, Geld stinkt nicht, das war ein lässiger Spruch des römischen Kaisers Vespasian zur Begründung einer Urinsteuer. Geld stinkt aber auch nicht im übertragenen Sinne. Geld ist nicht schlecht, und man darf sogar an Weihnachten darüber reden. Man darf? Man sollte!

Zu den großen Wunderlichkeiten dieser Tage gehört, dass die Kritiker der Offene-Grenzen-Politik der Kanzlerin Angela Merkel ständig betonen, Deutschland könne den Zuzug so vieler Flüchtender nicht länger verkraften, man sei an der Grenze des Machbaren. Ohne die aufopfernde Arbeit so vieler freiwilliger und hauptamtlicher Helfer an den Grenzen, in den Erstaufnahmelagern und tiefer im Land gering schätzen zu wollen - jedenfalls finanziell kann von Überforderung ganz sicher keine Rede sein. Noch hat kein Deutscher einen Euro zusätzlich gezahlt für die Neuankömmlinge, und so schnell wird es dazu auch nicht kommen.

Die öffentliche Haushaltslage ist in der Summe vorzüglich. Der Staat kann aufgrund einmalig günstiger Umstände sozusagen aus dem Vollen schöpfen. Die deutsche Wirtschaft wächst auf hohem Niveau, die Steuereinnahmen erklimmen immer neue Rekordstände, die Ausgaben sind angesichts geringerer Kosten für Arbeitslose und Sozialleistungen zurückgegangen, der Schuldendienst für die zwei Billionen Euro Gesamtverschuldung ist derzeit angesichts der außergewöhnlich guten Bonität des deutschen Schuldnerstaates beinahe zu vernachlässigen.

Die Kosten für die Flüchtlinge zahlen die Finanzminister aus dem laufenden Haushalt

Die zehn bis 20 Milliarden Euro, die die Betreuung und Integration der bisher mehr als eine Million Flüchtlinge pro Jahr kosten wird, zahlen die deutschen Finanzminister derzeit aus dem laufenden Haushalt. Kritisch ist allenfalls, dass auf den Ländern und Kommunen, die die Hauptlast tragen, zu hohe Kosten liegen; dies umzuorganisieren, ist eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern. Was im Übrigen auch bereits geschieht.

Es gibt also weder Grund, finanzielle Panik zu schüren, noch nach neuen Finanzierungsquellen zu suchen - eine Erhöhung von Steuern, eine ausdrückliche Umwidmung des Solidaritätszuschlags und was sonst derzeit in die Diskussion geworfen wird. Denn selbst, wenn weitere Kosten entstehen oder die Einnahmen wegen einer schwächeren Konjunktur schrumpfen, kann dies durch eine wieder stärkere Neuverschuldung aufgefangen werden. Dies wäre auch für den stabilitätsorientierten Beobachter kein Grund zur Sorge. Unter Ökonomen ist anerkannt, dass Schulden an und für sich kein Problem sind. Schulden unterstützen Wachstum. Das Finanzieren in die Neuankömmlinge, in Bildung und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, ist die beste Investition, die Deutschland tätigen kann.

Kritisch würde es aber, wenn neue Schulden in die Sozialetats oder gar in den Konsum fließen, dann schaffen sie nämlich nur kurzfristige Effekte und keine nachhaltige Wirkung. Aber genau dies gilt es ja mit einer klugen Integrationspolitik zu verhindern. Wenn alles gut geht (schwer genug!), werden in einigen Jahren die Flüchtlinge, gesamtwirtschaftlich gesehen, einen Teil der heute entstehenden Kosten wieder einspielen. Das ist ein ziemlich nüchternes Kosten-Nutzen-Kalkül, dessen man sich aber nicht mal an Weihnachten schämen muss. Es ist ein Kalkül für einen guten Zweck. Es ist für die Menschen. Es ist die ökonomische Weihnachtsbotschaft.

© SZ vom 24.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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