Kommentar:Was Europa jetzt braucht

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Zypern ist raus aus dem Rettungsschirm und schon preisen die EU-Finanzminister das Land als Erfolgsmodell. Wäre da nur nicht die Erfahrung aus Südeuropa, was danach kommt.

Von Alexander Mühlauer

Zypern hat es geschafft. Nach drei Jahren läuft das milliardenschwere Rettungsprogramm am Ende des Monats aus. Das Land hat sich saniert, die letzte geplante Auszahlungsrate können die Euro-Partner sogar behalten. Kein Wunder, dass die europäischen Finanzminister Zypern nun als Erfolgsmodell ihrer Rettungspolitik preisen. Im Fall Nikosias haben sie auch recht. Die Reformen haben tatsächlich zu mehr Wirtschaftswachstum geführt, sie haben das Land zum Besseren verändert. In anderen Euro-Staaten kann davon aber keine Rede sein. Viele leiden noch immer unter den Folgen des Spardiktats.

Das politische Ergebnis ist eindeutig: Zuletzt wurden in drei ehemals rettungsbedürftigen Ländern die Regierungen abgewählt. Und zwar wegen der von der Euro-Gruppe verordneten Austeritätspolitik. In Portugal, Spanien und Irland erhoben die Bürger ihre Stimme gegen eine Politik, die ihnen viel abverlangt hat - aber am Ende nicht viel brachte. Vor allem in Südeuropa ist die Jugendarbeitslosigkeit noch immer dramatisch hoch; es gibt kaum neue Jobs; die Wirtschaft dümpelt vor sich hin; erhoffte Steuereinnahmen bleiben aus; die Haushaltszahlen der Staaten sind dementsprechend schlecht.

Im Süden haben die Bürger genug vom Spardiktat. Sie wählen Regierungen ab

Nach Jahren der Sparpolitik muss Europa endlich einen neuen wirtschaftspolitischen Kurs einschlagen. Es braucht eine Balance von Stabilität und Wachstum. Die Voraussetzung dafür sind nicht nur Sparmaßnahmen (die sind nötig, wo Geld versickert), sondern vor allem steigende Einnahmen, die auf höherem Wachstum beruhen. Die USA haben seit Jahren vorgemacht, wie es gehen kann. Die Amerikaner haben mit einer expansiven Wirtschaftspolitik - mit viel staatlichem Geld - die Rezession erfolgreich bekämpft. Die Europäer hingegen setzen, angetrieben von Deutschland, noch immer auf eine restriktive Sparpolitik. Das Ergebnis: Sie stecken noch immer in der Krise.

Wenn Europa jetzt nicht aufpasst, könnte die Krise wieder schlimmer werden. Es ist gut möglich, dass der Euro in diesem Jahr vor einer neuen Bewährungsprobe stehen wird. Denn in Portugal zeigt sich bereits, was auch anderswo passieren könnte. Die neue Regierung in Lissabon gibt Beamten ihre Privilegien wieder: Sie nimmt Renten- und Lohnkürzungen zurück. Portugal hat nicht verstanden, wofür es sich lohnt, Geld auszugeben. Die Finanzmärkte reagierten prompt: Das Land muss wieder mehr für seinen Schuldendienst bezahlen. Die Zahlungsfähigkeit Portugals hängt nun an der Bewertung einer Ratingagentur. Es droht ein neues Hilfspaket beim Euro-Rettungsfonds.

Nun tun sich gerade Linksregierungen wie jene in Lissabon traditionell schwer mit einem Vorbild USA. Auf nationalstaatlicher Ebene könnte man auch sagen: Schaut nach Zypern! Das Land hat Staatsausgaben gekürzt, etwa so manche Privilegien im öffentlichen Dienst. Aber Zypern hat keine Steuern erhöht - weder für Arbeitnehmer noch für Unternehmen. So wurde der Haushalt saniert und die Wirtschaft nicht belastet. Was es jetzt noch bräuchte, wäre ein gesamteuropäischer Wachstumsimpuls.

Die Rahmenbedingungen dafür sind unverändert gut: Die Zinsen sind niedrig, die Energiepreise auch. Ökonomen sprechen von einem hervorragenden Investitionsklima. Doch so lange sich das wirtschaftlich stärkste Land Europas sträubt, deutlich mehr Geld in Investitionen zu stecken, wird dieses wirtschaftspolitische Vakuum nicht gefüllt. Schon wahr, in Deutschland werden die öffentlichen Ausgaben angesichts der Flüchtlingskrise steigen. Aber das allein genügt nicht. Es braucht mehr Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Wohnungsbau. Berlin würde damit ein Signal setzen, das andere Staaten mitziehen kann, auf einen neuen Weg des Wachstums.

Dieser Weg ist im Interesse Deutschlands. Denn wenn Europas Wirtschaft weiter so langsam wächst, gewinnen radikale Parteien weiter an Zulauf. Die Folge: Der Druck auf die Regierenden steigt, und die Verfechter einer Stabilitätspolitik werden immer weniger. Was das für die handelnden Regierungen bedeutet, kann man in Frankreich beobachten. Der Staatspräsident ist ein Getriebener der Rechtspopulisten, sein Reformeifer gehemmt (um es milde auszudrücken). Oder das Beispiel Italien: Die Regierung in Rom reformiert zwar pragmatisch das Land, nutzt die europäische Bühne aber vor allem für Brüssel-Bashing (weil das zu Hause gut ankommt). Dabei wären beide Länder der Idee einer gesamteuropäischen Wirtschaftspolitik nicht abgeneigt. Das starke Deutschland müsste nur auf sie zugehen. Im eigenen Interesse. Für mehr Wachstum in ganz Europa.

© SZ vom 10.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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