Kommentar:Was die Airline braucht

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Lufthansa möchte verhindern, dass Ryanair und Easyjet auch in Deutschland schnell expandieren und ihren eigenen Ableger Eurowings verdrängen. (Foto: Tobias Schwarz/afp)

Lufthansa steigt bei Air Berlin ein, um die Billigflieger aus Deutschland herauszuhalten. Sinnvoller wäre es, sich endlich mit den Piloten zu einigen.

Von Jens Flottau

Als in den 90er-Jahren irgendwo in Irland und Großbritannien mit Ryanair und Easyjet zwei neue Anbieter herumzufliegen begannen, die sich Billig-Airlines nannten, war man in der Frankfurter Lufthansa-Zentrale noch ganz entspannt. Das Konzept, so erzählte damals einer, könne nur dort funktionieren, weil es sich in beiden Fällen bekanntlich um Inseln handele und die Leute schlecht mit dem Auto nach Spanien in den Urlaub fahren können.

Die Entwicklung der Luftverkehrsbranche seither hat das Gegenteil bewiesen. Die Billig-Airlines sind auf dem Weg, große Teile des innereuropäischen Marktes zu beherrschen, weil sich ihr Geschäftsmodell als überlegen erwiesen hat. Die Lufthansa hat die Konkurrenten viele Jahre lang gnadenlos unterschätzt. Inzwischen ist das nicht mehr so. Manchmal hat man sogar den Eindruck, der deutsche Konzern gerate fast in Panik, was mögliche neue Vorhaben der Konkurrenten angeht.

Lufthansa steigt bei Air Berlin ein, um die Billigflieger aus Deutschland herauszuhalten

Nur so sind auch die Pläne, den eigenen Ableger Eurowings so schnell so massiv auszubauen, zu erklären: Es geht um Verteidigung. Wenn Lufthansa nun also ein Drittel der Air-Berlin-Flotte mit Besatzungen langfristig mietet, dann tut sie das aus einem einzigen Grund: Sie will verhindern, dass Ryanair und Easyjet in Deutschland schnell expandieren. Dies könnten sie, wenn Air Berlin aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen wäre, schnell stark zu schrumpfen und damit Start- und Landezeiten an den zumeist verstopften deutschen Flughäfen freizugeben. Nun also springt Lufthansa ein und hält das Netz am Leben, vor allem aber blockiert sie praktisch physisch den Marktzugang.

Zugegeben, das ist eine Chance, die sie sich wohl nicht entgehen lassen kann, und ist als unternehmerisches Ziel zunächst legitim. Wahrscheinlich führt wirklich kein Weg daran vorbei, sich auf das Werben Air Berlins einzulassen, so günstig kann Lufthansa wohl nicht noch einmal so schnell expandieren. Damit ist aber noch lange nicht gesagt, dass Eurowings selbst ein wirtschaftlicher Erfolg werden kann. Bei der Tochtergesellschaft handelt es sich zwar nach der Air-Berlin-Transaktion um Europas drittgrößten Anbieter in dem Segment, aber anders als bei Ryanair und Easyjet sieht es bei Eurowings schon ein Jahr nach der Gründung wie aus der reinen Not geborene Flickschusterei aus - ungeheuer komplex und alles andere als kostengünstig.

Warum? Eurowings ist nur eine Marke, tatsächlich fliegen in ihrem Auftrag bald sechs verschiedene Airlines: die Regionalfluggesellschaft Eurowings, Eurowings Europe, Sun Express, Germanwings, Air Berlin - und nun auch noch Brussels Airlines, die überhaupt nicht hineinpasst. Zwischen all den Gesellschaften Synergien zu finden, dürfte in dem Konstrukt äußerst schwer werden. Mit Air Berlin und Germanwings haben mindestens zwei der sechs derzeitigen Partner ein massives strukturelles Kostenproblem, das kaum lösbar zu sein scheint. Germanwings wird deswegen voraussichtlich über die nächsten Jahre aufgelöst. Air Berlin wird mit dem Lufthansa-Vertrag nach allem, was man weiß, kein Geld verdienen können. Die nächste Großkrise ist also nur eine Frage der Zeit. Und für jede der sechs Airlines gelten unterschiedliche Tarifverträge. Das Einzige, was halbwegs homogen ist, ist die Flotte - alle setzen auf Airbus-Jets.

Unter diesen Voraussetzungen ist klar, dass Eurowings keine Billig-Airline sein kann. Sie wird wohl günstiger fliegen als Lufthansa, aber von Ryanair und Easyjet weit entfernt sein. Über kurz oder lang werden die beiden ohnehin in Deutschland wachsen und mit günstigen Preisen Eurowings und Lufthansa die Margen kaputt machen. Und nicht nur sie: Auch die International Airlines Group piesackt Lufthansa mit ihrer Billigtochter Vueling, selbst Air France-KLM lässt Transavia in München stark expandieren.

Das Eurowings-Konglomerat zusammenbauen kann also nur der allererste Schritt gewesen sein. Lufthansa muss dringend daran arbeiten, die Struktur zu vereinfachen, und ein Gebilde schaffen, dass mit niedrigen Kosten eine Marktchance hat. Sie muss vor allem eine Lösung für ihr eigentliches Hauptproblem finden und endlich eine Einigung mit der Pilotengewerkschaft Cockpit (VC) erreichen, durch die das Kerngeschäft unter der eigenen Marke wieder wettbewerbsfähiger werden würde. Wenn das gelänge und die VC wirklich gleichzeitig wie in Aussicht gestellt bei Eurowings deutlich niedrigere Gehälter akzeptieren würde, wären all die seltsamen Konstruktionen rund um Air Berlin und Sun Express längerfristig gar nicht mehr nötig.

© SZ vom 29.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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