Kommentar:Von Geschäft und Vertrauen

Lesezeit: 2 min

Helmut Martin-Jung ist kein Lautsprecher, hat aber eine eigene Meinung. (Foto: Bernd Schifferdecker)

Internet-Konzerne machen gerne erst mal und bessern nach, wenn sich jemand beschwert. Doch bei Extremismus und Fake News funktioniert das nicht.

Von Helmut Martin-Jung

Es wird Google nicht umbringen; es wird den Internetkonzern aller Wahrscheinlichkeit nach finanziell nicht einmal besonders hart treffen: Einige bedeutende Marken wie AT&T oder Johnson & Johnson haben Anzeigenkampagnen auf der zum Google-Imperium gehörenden Videoplattform Youtube gestoppt, weil ihre Werbung neben extremistischen Inhalten angezeigt worden ist. Aber auch wenn das in den Bilanzen Googles kurzfristig bloß als Fußnote erscheinen wird, das Unternehmen - und einige andere aus der Branche - sollte die Sache dennoch nicht unterschätzen. Denn nichts ist Werbetreibenden wichtiger, als ihre Marke vor Schaden zu bewahren. Dafür ist Vertrauen nötig. Das aber zerstören die Konzerne, wenn sie Anzeigen neben Falschnachrichten und extremistischen Inhalten platzieren.

Gemessen daran war es doch reichlich nonchalant, wie sich der Aufsichtsratschef und inoffizielle Außenminister des Google-Mutterkonzerns Alphabet, Eric Schmidt, zu der causa äußerte. Ab und zu mal schlüpfe eben jemand durch den Algorithmus. Letzteren müsse man nun anpassen und dazu die Zahl der menschlichen Aufpasser erhöhen, "dann kriegen wir das schon wieder hin".

Wer wirbt, sollte steuern können, wo seine Anzeige erscheint - und wo nicht

So machen sie es eben immer: Erst mal etwas anbieten, und wenn sich jemand beschwert, kann man immer noch nachbessern. Das Wichtigste dabei: Möglichst wenig menschliche Eingriffe. Lieber lässt man Mathematiker und Programmierer mit hohem Aufwand eine Lösung austüfteln. Der automatisch funktionierende Algorithmus erlaubt dann durch Einsatz von mehr Rechenpower auch schnelles - am liebsten exponentielles - Wachstum. Ein Beispiel? Als Google die Straßen der Welt mit seinen Erfassungsautos fotografierte, gab es sogar in den USA viel Protest gegen das Projekt Street View, obwohl man dort in Sachen Datenschutz traditionell viel lockerer drauf ist. Schließlich entwickelte Google Algorithmen, die Nummernschilder von Autos verpixelten. In Deutschland durfte man nach anhaltenden Beschwerden schließlich sogar das eigene Haus verpixeln lassen.

Doch Street View ist ein zwar interessantes, aber nicht zwingend nötiges Unterfangen. Wenn aber die Werbekunden sich nicht sicher sein können, ob die Internetfirmen es hinkriegen, Anzeigen so auszusteuern, dass sie für ihre Marken keine Imageprobleme befürchten müssen, ist nicht mehr nur ein Nebenprodukt betroffen. Dann geht es um das Kerngeschäft. Zur Erinnerung: Die, wie man anerkennen muss, hervorragenden Dienstleistungen wie Internetsuche oder Navigation können die Googles nur anbieten, weil sie erstens die Kosten dafür durch Werbung mehr als einspielen. Und zweitens, weil die Kunden dafür mit der Preisgabe ihrer Daten zahlen.

Wenn die Internetfirmen nicht riskieren wollen, dass ihnen das Vertrauen ihrer Nutzer und Kunden abhanden kommt, müssen sie erheblich besser werden im Umgang mit gefälschten Nachrichten. Nicht sie sollten dabei als Zensoren agieren, vielmehr muss das Management von Beschwerden schneller und bessern funktionieren. Und sie müssen die Mechanismen verfeinern, mit denen ihre Anzeigekunden steuern können, wo ihre Anzeige erscheint und wo eben nicht.

Firmen wie Facebook, Google und einige andere kommen einem mit ihrer erdrückenden Marktmacht nahezu unangreifbar vor. Es ist auch durchaus wahrscheinlich, dass der derzeit tobende Shitstorm sich bald wieder verzieht. Wenn sich aber doch über längere Zeit der Eindruck verfestigen sollte, dass man ihnen nicht recht trauen kann, würden sie im Mark getroffen.

© SZ vom 25.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: