Kommentar:Vom Teilen und Sharen

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Die Idee klingt gut: Nicht mehr Eigentümer sein, sondern Auto, Wohnung und Schreibtisch gemeinsam nutzen - und so die Umwelt schonen. Jetzt müssen Daimler und BMW beim Carsharing erkennen, dass das Konzept an Grenzen stößt.

Von Caspar Busse

In München wirbt ein großes Küchenstudio mit einem Foto, auf dem ein frisches Weißbrot auf einem mehligen Brett halbiert wird. Darunter steht der Spruch: "Wo mit den Händen geteilt und nicht geshared wird." Hier findet das echte Leben statt, soll das wohl bedeuten, in der Küche können sich Menschen treffen, die ihr Mahl und vielleicht auch ihr Leben teilen, die aber nicht nur Teil einer neuen Sharing Economy sind.

Teilen statt kaufen - das ist seit einiger Zeit der große Trend. Die Menschen wollen nach dieser Logik nicht mehr Eigentümer von vielen Dingen sein, sie wollen ihren Besitz mit anderen teilen, auf Neudeutsch sharen, weil die Idee wie so vieles aus den USA kommt. Auto, Wohnung, Schreibtisch, Rasenmäher, Bohrmaschine gemeinsam nutzen, das ist nachhaltig, modern, schont Umwelt und Ressourcen - und führt am Ende zu einem zufriedenen Leben. Die Welt wird damit eine andere, so die Verheißung. Organisiert wird alles per App auf dem Smartphone, die neue Technik macht es möglich.

Aber wird dieses Versprechen überhaupt eingelöst? Ist der Sharing-Hype schon zu Ende, bevor er richtig begonnen hat? Die ganz großen Träume sind zumindest vorbei. Daimler und BMW haben gerade ihre hochfliegende Pläne für das Carsharing arg gekürzt. In Nordamerika und in wichtigen europäischen Städten wie London und Brüssel wird das Geschäft demnächst eingestellt. Anfang des Jahres erst hatten die beiden großen deutschen Autobauer ihre Carsharing-Aktivitäten zusammengefasst, Drive Now und Car2go gingen in Share Now auf, man wollte kräftig investieren und expandieren. Doch von den anfangs 30 Städten, in denen BMW und Daimler den Dienst angeboten haben, sind jetzt nach nicht einmal einem Jahr noch 18 übrig, davon nur sechs Städte in Deutschland.

Es braucht einen langen Atem, um aus der Idee des Teilens auch ein Geschäft zu machen

Eigentlich wollten BMW und Daimler zu Mobilitätsdienstleistern werden, statt sich auf die Autofertigung zu konzentrieren. Carsharing war dabei ein wichtiger Bestandteil. Wenn die Menschen sich kein eigenes Auto mehr kaufen, nutzen sie es eben zusammen, so die Idee. Doch nun zeigt sich: Die Verluste sind hoch, die Probleme noch größer. Mit den Kommunen muss über Parkplätze für die Flotten verhandelt werden, die Autos müssen gewartet, gesäubert, betankt und umgeparkt werden. Der Aufwand ist hoch, der Zuspruch dagegen eher gering, abseits der Ballungsräume ist das Konzept wenig tauglich. Dazu kommt, dass Carsharing bei einigen nicht unbedingt den eigenen Pkw ersetzt, sondern eher zulasten der Nutzung von Bahn und Bus geht. Die Zahl der Autos steigt in vielen Städten jedenfalls nach wie vor.

Kein Einzelfall übrigens: Die Idee vom Teilen ist auch in anderen Bereichen nicht nachhaltig. Die US-Firma Wework wollte mit der gemeinsamen Nutzung von Büroflächen das große Geschäft machen, ist aber mittlerweile schwer angeschlagen. Die Anbieter von Elektro-Rollern zur gemeinsamen Nutzung wollten die Mobilität in den Städten revolutionieren, doch derzeit gibt es viel zu viele von ihnen, sie verstopfen die Bürgersteige, die meisten Anbieter machen Verluste. Airbnb wollte erschwingliche Schlafgelegenheiten, auf Sofa oder Matratze, vermitteln, von Privaten für Private. Heute ist es eine kommerzielle Buchungsplattform für Ferienwohnungen und -häuser, in vielen Städten höchst umstritten.

Vermutlich ist es so: Es braucht Geschick und einen langen Atem, um aus der Idee des Teilens auch ein einträgliches Geschäft zu machen, das dann auch ausgebaut werden kann. Dass die Sharing-Economy aber die Lösung aller Probleme ist und alleine zu einem Beispiel für nachhaltiges Leben wird, ist nur ein Mythos.

© SZ vom 21.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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