Kommentar:Vermintes Gelände

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Es ist so schön, gerecht zu sein. Die SPD erlebt mit dem Thema einen politischen Aufwind. Aber Manager-bezüge zu begrenzen, ist der falsche Weg. Nötig ist ein gesellschaftlicher Diskurs.

Von Karl-Heinz Büschemann

Es ist so schön, gerecht zu sein. Die SPD erlebt einen politischen Aufwind, weil sie mit ihrem neuen Spitzenkandidaten Martin Schulz das Reizthema Gerechtigkeit wieder in den Vordergrund rückt. Stand Gerhard Schröder vor knapp 20 Jahren für die Öffnung der Sozialdemokratie zur Globalisierung, steht Schulz wieder für das, was der Partei in ihrer langen Geschichte das Entscheidende war: die wirtschaftliche Gerechtigkeit. Die alte soziale Frage rückt mit Schulz wieder in den Vordergrund der Debatten. Die bierdampfenden Zelt-Veranstaltungen vom politischen Aschermittwoch haben das bestätigt.

Auf der Suche nach der verlorenen Gerechtigkeit machen sich SPD und Union Gedanken darüber, wie die in manchen Fällen völlig überhöhten Managergehälter gedeckelt werden könnten. Die haben sich zum Aufregerthema entwickelt, seit der einstige VW-Chef Martin Winterkorn pro Jahr 17 Millionen Euro bezogen hatte. Zuletzt wurde bekannt, dass Bill McDermott, der Chef des erfolgreichen Software-Konzerns SAP, für zwölf Monate Arbeit 14 Millionen Euro bekommt. Neue Gesetze werden debattiert, wie die Managerbezüge verringert werden könnten. Das mag Sympathien bei Wählern bringen. Doch die Politiker sollten die Finger von diesem Thema lassen. Sie können damit nur verlieren, ohne dass die Gesellschaft etwas zu gewinnen hätte.

Wer als Politiker in die Gehaltspolitik der Firmen eingreift, vergeht sich nicht nur an der unternehmerischen Freiheit, die ein Grundprinzip der Demokratie ist. Politiker, die das tun, begeben sich auf gefährliches Terrain. Sie müssten selbst Summen nennen, die sie noch für vertretbar halten und die Grenze klar bezeichnen, hinter der die Zone des Unmoralischen beginnt. Das kann der fähigste Politiker nicht.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) ist gerade in diese Falle getappt. Er sitzt im Aufsichtsrat von Volkswagen und hat gerade dafür gestimmt, die Bezüge des VW-Chefs auf zehn Millionen Euro im Jahr zu beschränken. Damit seien die Gehaltsexzesse bei VW vorbei, hat der Konzern nachher verkündet. Wie bitte? Hat hier ein Ministerpräsident der großen deutschen Kleine-Leute-Partei ein Zehn-Millionen-Gehalt für in Ordnung befunden? Wie passt das zusammen mit den Gerechtigkeitsforderungen seines Kanzlerkandidaten Schulz?

Wo der Anstand abhanden gekommen ist, können auch Gesetze nichts retten

Die seit Jahren aus dem Ruder laufenden Gehälter der Manager enthalten gehörigen sozialen Sprengstoff. Sie führen in eine Neiddebatte und tragen auf ungute Weise zur Arm-Reich-Debatte in diesem reichen Lande bei, die zum Teil wild übertrieben ist. Die Gehälterfrage ist längst zum Politikum geworden, wenn auch zu einem, das die Politik nicht wird lösen können.

Die Aufsichtsräte in manchen Konzernen haben auf erschütternde Weise versagt, als sie zweistellige Millionenbezüge möglich machten. Bürger sind zu Recht sauer, wenn sie sehen, dass sich eine kleine Entscheiderkaste gegenseitig hohe Gehälter zuschanzt und die kleinen Leute mit stagnierenden Reallöhnen zurechtkommen müssen. Dass der vermeintlichen Manager-Elite offenbar das Gefühl für die Grenzen zwischen Anstand und Unanständigkeit abhandengekommen ist, ist aber nicht durch Gesetze zu beheben, sondern nur durch kritische Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, auch der Politiker.

Neue Paragrafen sind ein Arbeitsnachweis für Volksvertreter, für die Gesellschaft sind sie meist keine Hilfe, weil sie umgangen und ausgehöhlt werden können. Sie leisten der Illusion Vorschub, dass erst mit dem Überschreiten einer vom Gesetz festgelegten Grenze das Verhalten von Managern unanständig wird. Schäbiges Handeln kann es aber auch innerhalb des rechtlich Möglichen geben. Wo der Anstand abhanden gekommen ist, können auch Gesetze nichts retten. Politiker, die den Anstand in Wirtschaft und Gesellschaft mit Gesetzen bewahren wollen, ernennen sich selbst zu Göttern, die alleine wissen, wo die Grenzen der Moral verlaufen.

Welche Gehälter bezahlt werden, entscheiden Unternehmen und der Markt. Welche Bezüge noch anständig sind und welche nicht, ergibt sich aus einem gesellschaftlichen Diskurs, der aber mit größerer Ernsthaftigkeit geführt werden muss als mit den derzeitigen Mitteln der Empörungsdemokratie. Der erste Schritt wäre gemacht, wenn Politiker sich nicht mehr selber schuldig machen an Gehaltsexzessen, wie es bei VW passiert ist, wo SPD-Ministerpräsidenten gleich reihenweise persönlich im Aufsichtsrat die Gehälter mitbeschlossen haben, die ihre Partei jetzt mit Paragrafen bekämpfen will.

© SZ vom 03.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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