Kommentar:Ungeliebt, aber wichtig

Lesezeit: 3 min

Die Deutsche Bank hat einen miserablen Ruf. Das will der Chef jetzt mit einem radikalen Kurswechsel ändern. Recht so - aber ist er schnell genug?

Von Caspar Busse

Die großen Zeiten der Deutschen Bank sind definitiv schon länger vorbei. Auch nach der letzten leichten Kurserholung ist der Konzern an der Börse nicht einmal 15 Milliarden Euro wert. Das ist nicht nur ein Sechstel des Börsenwerts der Allianz, dem anderen weltweit agierenden Finanzkonzern mit Hauptsitz in Deutschland (der es auf 90 Milliarden Euro bringt), die Deutsche Bank liegt damit auch weit abgeschlagen hinter den großen internationalen Kreditinstituten.

Dass das inzwischen so ungeliebte Geldinstitut aus Frankfurt, das angesichts der vielen Skandale einen äußerst schlechten Ruf genießt, nicht längst zu einem Übernahmekandidaten geworden ist, liegt offenbar auch an der mangelnden Attraktivität und der komplexen Struktur der Bank. Das will Bankchef Christian Sewing jetzt mit einem radikalen Kurswechsel ändern - und er ist auf dem richtigen Weg. Die Frage ist nur, ob er schnell genug ist.

Vertrauen ist schnell zerstört. Es wieder aufzubauen, dauert dagegen lange

Der Mann, der 1989 als Lehrling im Konzern anfing und seit 2018 Vorstandsvorsitzender ist, will offenbar grundlegend umbauen und zwischen 15 000 und 20 000 der Stellen streichen, das wäre ein Fünftel der inzwischen 91 000 Jobs. Schon Ende Mai hatte Sewing betonte, er sei zu "harten Einschnitten" bereit, vor allem im Investmentbanking. Nun wird darüber spekuliert, dass vor allem die Aktienhandels- und Zinshandelsgeschäfte außerhalb Europas deutlich geschrumpft oder sogar geschlossen werden.

Es wäre ein brutaler Schnitt, einen solch drastischen Stellenabbau auf einen Schlag haben bislang nur wenige deutsche Konzerne angekündigt. Und es wäre auch ein deutlicher Strategieschwenk. Denn Sewing und die Deutsche Bank würden sich damit - endlich - vom seit Langem kriselnden Investmentbanking abwenden, also von dem Bereich, bei dem die Frankfurter spätestens seit der Übernahme der amerikanischen Investmentbank Bankers Trust in New York im Jahr 1999 ganz vorn mitspielen wollten. Es ist die Sparte, die eine Zeit lang durchaus hohe Milliardengewinne erwirtschaftete, aber auch ein unglaubliches Eigenleben führte. Sewings Vorgänger, von Joe Ackermann über Anshu Jain bis John Cryan, haben immer zum Investmentbanking und den Mitarbeitern, die teilweise unanständig viel Geld verdienten, gestanden. So tat es bisher auch Aufsichtsratschef Paul Achleitner. Es ist gut so, wenn sich das nun ändern würde; eine Entscheidung wird möglicherweise schon am kommenden Wochenende fallen.

Denn die Deutsche Bank muss zu einem soliden Geschäftsmodell finden, und kann sich dabei durchaus auf ihre Ursprünge besinnen. Denn gegründet wurde das Institut 1870, um deutsche Unternehmen bei der internationalen Expansion zu unterstützen. In den vergangenen 20 Jahren hatten sich die Banker aus den beiden Glastürmen aber immer weiter von ihrem einstigen Kerngeschäft - der Finanzierung der deutschen Wirtschaft - entfernt und stattdessen auf vermeintlich lukrative Finanzgeschäfte gesetzt. Das ehemals hoch angesehene Institut wurde fast zur Zockerbude und muss sich das verlorene Vertrauen nun mühsam zurückverdienen. Jetzt ist die Geduld von Kunden und Investoren fast aufgebraucht, das Image auch durch die vielen Verfehlungen schwer geschädigt.

Vertrauen ist schnell zerstört. Es wieder aufzubauen, dauert dagegen lange. Die entscheidende Frage ist, ob Sewing genügend Zeit gegeben wird und er sich durchsetzen kann. Durch die, letztlich gescheiterten, Fusionsgespräche mit der Commerzbank ist Zeit verloren gegangen.

Dass die Deutsche Bank endlich zum Erfolg zurückfindet, ist auch aus einem übergeordneten Grund wünschenswert. Denn Deutschlands und Europas Unternehmen brauchen dringend deutsche und europäische Banken, die international präsent sind und die ihren Kunden bei der Abwicklung und Finanzierung der weltweiten Geschäfte helfen. Konzerne sind auf Finanziers angewiesen, die sie bei der Übernahme oder dem Verkauf von Unternehmen, bei Börsengängen oder bei der Ausdehnung in neue unbekannte Märkte unterstützen.

Das gilt gerade in Zeiten von grassierendem Protektionismus und von harten Handelsauseinandersetzungen. Viele Unternehmen wollen sich nicht nur auf angelsächsische oder chinesische Kreditinstitute verlassen. Sie wollen die Auswahl - und sie wünschen sich einen starken und verlässlichen Partner aus ihrem Heimatmarkt, der die europäischen Bedürfnisse und Eigenarten versteht und für Vertrauen steht. Eine Rolle, die die Deutsche Bank, lang ist das her, einmal hatte.

© SZ vom 02.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: