Kommentar:U-Bahn statt Uber

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Wer die Städte wieder lebenswert machen will, muss den Autoverkehr insgesamt reduzieren. Die Fahrdienstvermittler Uber und Lyft werden die Lage allenfalls etwas verbessern können, ein großer Schritt wäre das nicht.

Von Helmut Martin-Jung

Die Analyse trifft es ja durchaus: Großstädte in aller Welt leiden unter dem Autoverkehr. Staus sind tägliche Routine, Abgase verpesten die Luft, viel zu viel wertvolle Fläche geht für Straßen und Parkplätze drauf. Diese Situation wird sich aber nicht dadurch entscheidend verbessern, wenn nun auch noch private Fahrer, die am Rande des Existenzminimums dahinkrebsen, mit ihren Autos die Straßenschluchten bevölkern. Wer die Städte wieder lebenswert machen will, muss den Autoverkehr insgesamt reduzieren. Darauf sollten sich die Städte konzentrieren.

Die Fahrdienstvermittler Uber und Lyft, die großspurig versprechen, den Verkehr in den Städten zu reduzieren, werden die Lage allenfalls etwas verbessern können, ein großer Schritt wäre das nicht. Ob nun ein Lyft-Auto lärmt, stinkt und im Stau steht oder ein anderes, macht keinen Unterschied.

Auch wenn man die Sache ausschließlich unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet, bleiben Fragen offen. Investoren pumpen enorme Summen in Uber und Lyft. Dabei ist vor allem im Falle von Lyft, das am Donnerstag an die Börse ging, keineswegs sicher, dass das Geschäftsmodell des Unternehmens aus San Francisco jemals funktionieren wird. Zwar konnte Lyft seine Aktien am oberen Ende der vorgesehenen Preisspanne platzieren, also bei 72 Dollar. Lyft wird dadurch mit etwa 24 Milliarden Dollar bewertet. Die Unternehmensgründer und einige frühe Investoren sind nun sehr reiche Menschen.

Doch bis mindestens 2022 plant Lyft nicht einmal mit einem Gewinn. Stattdessen muss das Unternehmen, das erheblich kleiner ist als Uber und weniger bekannt, viel Geld in Marketing investieren, aber auch bei den Preisen konkurrenzfähig sein. Anders als Uber ist Lyft bisher nur in den USA und Kanada tätig. Im vergangenen Jahr macht der Fahrdienstvermittler gut 900 Millionen Dollar Verlust - so tief in den roten Zahlen steckend hat sich in den USA noch kein Start-up an die Börse gewagt. Eine internationale Expansion, die irgendwann folgen muss, würde noch einmal richtig teuer.

Auf Lyft zu setzen ist also noch ein Stück gewagter, als in Uber zu investieren, die ebenfalls noch rote Zahlen schreiben. Der New Yorker Professor und Experte für Digitalunternehmen Scott Galloway hat es auf Twitter auf diese Kurzformeln gebracht: "Lyft-Aktien gehen zwölf Minuten nach Börseneröffnung stark hoch und dann zwölf Monate stark runter." Die Zeit der Bewährung beginnt nächste Woche, dann wird sich zeigen, wie viel Vertrauen Lyft wirklich genießt.

Einen Vorteil gegenüber Uber hat Lyft immerhin: Es gilt als weniger aggressiv in seiner Vorgehensweise. Bei Uber musste Gründer Travis Kalanick wegen seiner rüden Methoden als Chef zurücktreten. Als Anfang der Woche Tausende Fahrer in Los Angeles demonstrierten, waren aber auch viele von Lyft dabei. Ihr Vorwurf: Gekürzte Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen.

Es ist eben eine Tatsache, dass das gesamte Geschäftsmodell dieser Plattformen nur dann funktionieren kann, wenn die Fahrer zu Hungerlöhnen arbeiten. Das tun sie natürlich nicht in Diensten der Unternehmen. Sie werden als freie Unternehmer beschäftigt, sind aber trotzdem abhängig von ihnen. Denn die Plattformen kontrollieren Dinge wie Logistik und Abrechnung. Und außerdem sind sie sozusagen auf Abruf tätig: Wenn autonome Fahrzeuge erst einmal voll einsatzbereit sind, werden sie überflüssig.

Die Städte täten also viel besser daran, den öffentlichen Nahverkehr zu stärken. Ergänzt um E-Sammeltaxis und ein gut und sicher ausgebautes Radwegenetz könnten Städte so tatsächlich zu besseren Orten werden.

© SZ vom 30.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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