Kommentar:Trumps Twitter-Ökonomie

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Nur ein Tweet, und Ford begrub seine Pläne, in Mexiko ein Werk zu bauen. Was bedeutet das für deutsche Autofirmen?

Von Thomas Fromm

Anders als bei Handyschraubern, Computerbauern oder Softwareprogrammierern brauchen die Dinge in der Autoindustrie ihre Zeit. Es dauert Jahre, so ein Auto zu entwickeln, so wie es Jahre dauert, bis es eines Tages wieder aus dem Verkehr ist. Und gerade weil alles so lange dauert, nehmen sich die Autoleute Zeit, wenn sie Wichtiges entscheiden müssen - zum Beispiel, in welchen Fabriken und welchen Ländern sie welche Autos bauen. Einmal entschieden, gilt es dann meistens für viele Jahre.

Insofern ist es schon beachtlich, wie schnell es gehen kann, wenn Donald Trump mit wenigen Worten Druck macht. Via Twitter drohte der künftige US-Präsident mit hohen Einfuhrzöllen für Autos, die beim Niedriglohn-Nachbarn Mexiko gebaut werden, und ermahnte den größten US-Hersteller General Motors: "Produziert in den USA!" Es dauerte nicht lange, da meldete der GM-Rivale Ford überraschend, man werde die Pläne für ein 1,6 Milliarden Dollar teures Werk in Mexiko begraben.

Wirtschaftspolitik powered by Twitter: Wo sich sonst Topmanager wochenlang zurückziehen und Power-Point-Präsentationen zerlegen, reicht nun eine 140-Zeichen-Ansage. Dies sagt nicht nur sehr viel über Trumps Wirtschaftsverständnis und seinen Machtanspruch auf die wichtigsten Konzerne des Landes, bei denen es nur noch eine Kurzmitteilung braucht, um einzuknicken.

Es zeigt auch, wie schnell es mit der Planungssicherheit in der Trump-Ära vorbei sein kann. Daher ist der Fall Ford auch ein Menetekel für Autobauer wie VW, BMW und Daimler, die seit Jahren an ihrer Mexiko-Strategie feilen und in dem Land Milliarden investiert haben. Akribisch hatten sie die Vorteile der nordamerikanischen Freihandelszone Nafta durchgerechnet, Verträge geprüft - und nun twittert ihnen Trump, warum er Mexiko-Autos nicht will.

Trump, der sagt, dass er Amerika wieder groß machen will, weiß, welche Rolle der Nachbar Mexiko für die Autoindustrie spielt. Das Land ist dabei, sich zum fünftgrößten Autobauer der Welt hochzuschwingen, gerade wegen seiner Freihandelsverträge. Dass Trump an den heimischen Großkonzernen General Motors und Ford nun sein Exempel statuiert, geht vor allem auch gegen die anderen: Die VW-Tochter Audi hat im Herbst ihr erstes Werk in Mexiko eröffnet und will von dort den Geländewagen Q 5 exportieren, Daimler baut mit Renault-Nissan, und BMW zieht zurzeit ein Werk in San Luis Potosí hoch und will in zwei Jahren mit der Produktion vor Ort starten.

Sie alle stehen nun vor dem gleichen Problem: Wenn Trump so handelt, wie er twittert, dann bricht ihre Mexiko-Strategie zusammen. Offiziell produzieren sie dort für den Weltmarkt - de facto aber geht ein nicht kleiner Teil der dortigen Autos in die USA. Sollte nun eine lange Phase des Protektionismus anbrechen, dürften sie alle ihre Mexiko-Aktivitäten in den nächsten Monaten noch einmal durchrechnen und überdenken - möglicherweise wäre dies dann mit katastrophalen Folgen für das Land und seine wirtschaftliche Zukunft verbunden.

Die deutschen Autobauer haben auf Fabriken in Mexiko gesetzt - das könnte nun vorbei sein

Dabei ist längst nicht klar, wie sich Trump die Sache genau vorstellt. Zwischen den USA und Mexiko besteht seit Jahren eine klare Arbeitsteilung; viele der Autoteile, die in Mexiko verarbeitet werden, stammen aus den USA - und umgekehrt. Beide Produktionsorte sind eng miteinander verwoben und Teil einer gemeinsamen Lieferkette. Rein amerikanische Autos wären, das dürfte auch Trump wissen, um einiges teurer ohne ihren "Mexiko-Anteil".

Ohnehin sind viele der ausländischen Hersteller längst auch in den USA heimische Produzenten. Das größte BMW-Werk weltweit steht nicht mehr in Dingolfing oder München, sondern in Spartanburg im US-Staat South Carolina, wo die Geländewagen X 3, X 4, X 5 und X 6 produziert werden - ein gutes Fünftel aller BMW-Autos. 70 Prozent der in Spartanburg gefertigten Fahrzeuge werden in 140 Länder weltweit exportiert - BMW ist damit nicht nur ein wichtiger Arbeitgeber im strukturschwachen Süden des Landes, sondern auch ein US-Großexporteur.

Gute Argumente gegen Trumps Auto-Populismus gibt es also genug. Doch mit Kritik halten sich die Wirtschaftsführer furchtsam zurück. Trump sei selbst Unternehmer, vielleicht werde es am Ende gar nicht so schlimm, heißt es. Wenn sie sich da mal nur nicht täuschen.

© SZ vom 05.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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