Kommentar:Teurer Traum

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Nach dem Brexit kann Großbritannien endlich eigene Handelsverträge abschließen - so schwärmen die Befürworter des EU-Austritts. Doch das ist ein Traum. Denn neue Verträge sind schwierig zu schließen - und bringen wenig.

Von Björn Finke

Die Nostalgie-Party ist vorbei, nun geht es wieder schnöde um den EU-Austritt: Ende voriger Woche trafen sich die Regierungschefs der 53 Commonwealth-Staaten in London. Mitglieder des Verbundes sind überwiegend ehemalige britische Kolonien, etwa Indien oder Kanada. Premierministerin Theresa May nutzte das Treffen, um für Freihandelsverträge zwischen Großbritannien und diesen Ländern zu werben. Brexit-Enthusiasten in ihrer Konservativen Partei schwärmen davon, dass das Königreich nach dem Austritt schnell viele solcher Abkommen mit aufstrebenden Ländern weltweit abschließen und so die darbenden Exporte ankurbeln könnte. Die Commonwealth-Staaten stehen wegen ihrer kulturellen Nähe ganz oben auf der Liste.

Doch nach der Sause mit den früheren Kolonien ist in dieser Woche wieder mühsames Brexit-Geschäft angesagt. Am Donnerstag debattiert das Parlament darüber, ob die Regierung nach der Trennung eine Zollunion mit der EU anstreben soll. May und die Austritts-Fans in der Partei lehnen das ab. Dabei wäre eine Zollunion für die Firmen viel nützlicher als irgendwelche Handelsverträge mit Ex-Kolonien.

Brexit-Vorkämpfer lassen sich von solch banalen Fakten aber nicht ihren Traum vom Global Britain kaputt machen. May vergisst nie, diesen Ausdruck in ihren Reden unterzubringen. Der Begriff beschreibt die Vision, dass das Land nach dem Austritt, befreit von den Fesseln der EU, wieder eine globale Handelsmacht werden kann, so wie zu den Zeiten des Empire. Austrittsbefürworter argumentieren, dass die EU viel zu wenige Handelsverträge mit Schwellenländern abgeschlossen habe. So gibt es keine Abkommen mit China, Indien oder dem lateinamerikanischen Wirtschaftsbund Mercosur. Diese Tatsache sowie lästige Regulierung aus Brüssel hielten britische Unternehmen zurück, klagen die EU-Gegner.

Nach der Scheidung kann London das Regelwerk schleifen und eigene Handelsverträge unterschreiben, um Zölle und andere Hemmnisse abzubauen. Das werde den Weg bereiten zu neuer Exportherrlichkeit, versprechen die Brexit-Gläubigen. Würde Großbritannien aber eine Zollunion mit der EU eingehen, könnte die Regierung keine umfassenden Abkommen mit anderen Wirtschaftsmächten abschließen, denn für Zölle bliebe Brüssel zuständig. Darum halten Brexit-Fans den Vorschlag für eine Zumutung.

Ohne Zollunion müssten allerdings in Zukunft wieder Grenzer Lastwagen in Calais oder Nordirland kontrollieren, zumindest stichprobenartig. Unternehmern - und Politikern auf der irischen Insel - graust vor der Vorstellung, doch AustrittsFans wollen diese Schwierigkeiten in Kauf nehmen, um weiter dem Traum vom neuen Exportempire anhängen zu können.

Dabei ist es äußerst ungewiss, ob Großbritannien allein attraktive Abkommen mit Staaten wie China oder Indien aushandeln kann. Aus Sicht der Regierungen dort ist die EU mit ihrer halben Milliarde Einwohner der deutlich lukrativere Markt. Die Gespräche der EU mit Indien und dem Mercosur bewegen sich seit Jahren nicht voran. Wieso sollten sich diese Länder gegenüber einem kleineren Partner - dem Königreich - offener zeigen? Die indische Regierung hat schon klargemacht, dass Diskussionen über so einen Vertrag mit London mühsam und langwierig sein würden. Unter anderem verlangt Indien, dass die Briten Visa-Erleichterungen gewähren. Das passt nicht so recht zu Mays Versprechen, nach dem Brexit die Zahl der Einwanderer kräftig zu senken.

Das Commonwealth-Mitglied Kanada hat kürzlich erst einen Handelsvertrag mit der EU abgeschlossen. Exporte vom Königreich nach Kanada könnten durch den Austritt sogar schwieriger werden, wenn Großbritannien sich nicht mit der Ex-Kolonie darauf einigt, dass die Erleichterungen für EU-Firmen nach dem Brexit für britische Unternehmen weiter gelten.

Volkswirte gehen ohnehin davon aus, dass neue Handelsverträge mit weit entfernten Staaten der Wirtschaft nur wenig nützen werden. Selbst eine Studie der Regierung kommt zu diesem Schluss. Geografische Nähe spielt eine wichtige Rolle für den Exporterfolg. Die Transportkosten sind niedriger, das Verständnis für die Bedürfnisse der Kunden ist meist größer. Darum werden die anderen EU-Staaten auch in Zukunft die mit Abstand bedeutendsten Handelspartner bleiben.

Der Verzicht auf eine Zollunion würde die Geschäfte mit diesem Wirtschaftsblock erschweren. Handelsverträge mit Ländern auf anderen Kontinenten gleichen diese Nachteile nicht aus. Der schwüle Traum vom neuen Exportempire könnte die Briten teuer zu stehen kommen.

© SZ vom 24.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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