Kommentar:Teil des Problems

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Die Lebensversicherer könnten einen wichtigen Beitrag leisten, wenn sie ein einfaches Sparangebot auf den Markt brächten, das tatsächlich als ein wirksames Instrument gegen die Altersarmut taugt. Tun sie das nicht, bleiben sie ein Teil des Problems.

Von Herbert Fromme

Die Lobbyisten der Versicherungswirtschaft in Berlin arbeiten mit Hochdruck. Es geht um die Reform der betrieblichen Altersversorgung, die von Arbeitsministerin Andrea Nahles angestoßen wurde. Was die Branche besonders stört: Der Gesetzentwurf für die sechste Umgestaltung der Betriebsrente sieht ein ausdrückliches Verbot aller Garantien für bestimmte Zinserträge oder den Erhalt der eingezahlten Beiträge vor.

Denn für diese Garantien muss in letzter Instanz der Arbeitgeber geradestehen. Das sieht Nahles als ein wesentliches Hindernis für die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung bei kleinen Unternehmen. Dazu kommt, dass die Kosten der Garantien bei Anbietern große Teile der Rendite aufknabbern und damit die spätere Betriebsrente schmälern.

Bei den Bundesländern hat die Lobby schon Erfolg gehabt. Der Bundesrat setzt sich für Ausnahmeregelungen ein. Bei Direktversicherungen sollen Zinsgarantien weiter erlaubt sein. Solche Verträge werden von Lebensversicherern angeboten.

Jedes Jahr werden immer noch sieben Milliarden Kundengelder für Provisionen ausgegeben

Die Versicherer fürchten, dass ohne Zinsgarantie ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal verloren geht. Banken bieten keine langfristigen Zinsgarantien an, Bausparkassen wohl auch nicht mehr. Nur die Versicherer können damit punkten, glauben sie. Angesichts der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage der Versicherungsbranche wirkt die Kampagne schon fast paradox. Die Mehrzahl der knapp 90 Lebensversicherer hat große Probleme genau wegen der Garantien. Sie haben ihren Kunden in den 1990er-Jahren 3,5 Prozent und 4 Prozent Verzinsung für die gesamte Laufzeit von Verträgen versprochen. Doch in der Niedrigzinsphase können sie das kaum verdienen. Der Ausweg: Die Gesellschaften kürzen die Renditen für die übrigen Kunden, die keine hohen Garantien haben, um ihre Versprechen für die Minderheit einzuhalten.

Man kann den Versicherern die Niedrigzinsphase nicht vorwerfen. Sie tragen aber sehr wohl die Verantwortung dafür, dass sie aus reinen Marketinggründen früher hohe Garantien gegeben haben - und viele von ihnen immer noch auf diesem Instrument beharren. Ihre Beweggründe sind klar: Ohne das Argument Zinsgarantie hätte es die Branche im Wettbewerb um die Spar-Euros der Deutschen noch schwerer, glauben Versicherungsbosse.

Dabei agiert die Branche keineswegs einheitlich. Anbieter von neuartigen Verträgen - meist geht es um Fondssparen im Versicherungsmantel - verzichten immer öfter auf Garantien. Das hindert dieselben Versicherer aber nicht daran, in Berlin vehement für deren Erhalt zu trommeln. Die Lebensversicherer haben eine sehr wichtige Aufgabe, wenn es um die Todesfallabsicherung und um das Risiko Berufsunfähigkeit geht. Die Frage ist, ob sie auch für die Altersvorsorge taugen. Hier wachsen die Zweifel.

Sie sind in Berlin deutlich spürbar. Eigentlich sind Christ- und Sozialdemokraten große Freunde der Altersvorsorge per Lebensversicherung. Aber die Stimmung kippt gerade. Selbst CDU-Abgeordnete äußern sich kritisch. Sie ärgert, dass die Gesellschaften ihre Probleme nicht in den Griff bekommen, vor allem bei den Kosten. Die wenigsten können sich durchringen, ihre aufgeblähten Vertriebe auf ein verträgliches Maß zurechtzustutzen.

Jedes Jahr geben die Lebensversicherer immer noch rund sieben Milliarden Euro Kundengelder für Provisionen und andere Abschlusskosten aus. Dazu kommen zwei Milliarden Euro Verwaltungsaufwand, den ebenfalls die Kunden zahlen dürfen - und das bei einer Branche, die 87 Milliarden Euro an Beiträgen aufweist. Das mindert die Renditen und damit die Betriebs- oder Privatrenten erheblich. Da helfen der Mehrzahl der Kunden auch Zinsgarantien nicht weiter.

Im Jahr 2014 hat der Bundestag die Versicherer in einem Reformgesetz angehalten, die Abschlusskosten zu senken. Doch das hindert viele Unternehmen nicht daran, auf der Jagd nach Neugeschäft weiter deutlich überhöhte Provisionen zu zahlen. Die Branche muss befürchten, dass der Bundestag bei der Überprüfung des Reformgesetzes, die in diesem Jahr beginnt, auch für die Lebensversicherung eine harte Obergrenze für Provisionen festsetzt. In der privaten Krankenversicherung gibt es eine solche Deckelung schon seit dem Jahr 2012.

Die Lebensversicherer könnten einen wirklich wichtigen Beitrag leisten, wenn sie ein einfaches, preisgünstiges Sparangebot auf den Markt brächten, das tatsächlich als ein wirksames Instrument gegen die Altersarmut taugt. Solange sie das nicht tun und stattdessen weiter vor allem hohe Kosten produzieren, sind sie bei der Altersarmut eher ein Teil des Problems als ein Teil der Lösung.

© SZ vom 23.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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