Kommentar:Starke Worte, mehr nicht

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Der britische Schatzkanzler Philip Hammond droht der EU mit niedrigeren Steuersätzen. Trotzdem ist er in der Position des Schwächeren.

Von Björn Finke

Schatzkanzler Philip Hammond, ein eher dröger Mann der Zahlen, gibt sich ungewohnt krawallig. Wenn britische Firmen nach dem Brexit ausgesperrt würden vom wichtigen Markt der EU, dann werde das Königreich zurückschlagen, sagte er in einem Interview. Dann werde sich Großbritannien bei Steuern und Regulierung vielleicht nicht mehr an seinen europäischen Nachbarn orientieren. Das ist eine unverhohlene Drohung, dass die Regierung in dem Fall Unternehmen vom Festland mit niedrigen Steuern und laxen Vorschriften anlocken würde. Großbritannien würde zu einem Steuerparadies, so einer Art Singapur, nur mit schlechterem Wetter.

Hammonds Chefin Theresa May legt an diesem Dienstag bei einer Rede ihre Ziele für die Scheidungsgespräche mit der EU dar. Bis Ende März wird die Premierministerin Brüssel offiziell über den Austrittswunsch unterrichten, danach beginnen die zweijährigen Verhandlungen. Hammonds Bemerkungen sollen den anderen EU-Staaten - und den Europagegnern in der Heimat - direkt zum Start Entschlossenheit und Härte demonstrieren.

Doch die starken Worte können nicht darüber hinwegtäuschen, wie schwach die Verhandlungsposition der Briten ist. Deren Wirtschaft ist viel mehr auf den Handel mit dem Rest Europas angewiesen, als es umgekehrt der Fall ist. Und die Drohung mit der Steueroase am Ärmelkanal ist nicht sehr Furcht einflößend.

Neue Zölle wären für die EU ein Ärgernis, für Großbritannien wären sie ein Desaster

Zwei Zahlen zeigen, wie ungleich die Trümpfe in dem Verhandlungspoker verteilt sind: 44 Prozent der britischen Exporte gehen in andere EU-Staaten. Großbritannien steht allerdings nur für acht Prozent der Exporte von Firmen aus den übrigen EU-Ländern. Würden Zölle den Handel über den Ärmelkanal erschweren, wäre das für die meisten EU-Mitglieder ein Ärgernis, vor allem für Deutschland, das besonders viel auf die Insel ausführt. Doch für Großbritannien wären solche Handelsbarrieren schlicht ein Desaster.

Außerdem spielen die Briten gegen die Zeit. Banken und Unternehmen in Großbritannien wissen nicht, welchen Bedingungen Geschäfte mit dem Festland unterliegen werden, wenn das Königreich 2019 austritt. Vielleicht ändert sich nicht viel, vielleicht aber doch. Manager hassen Ungewissheit und werden Vorkehrungen treffen. So wird erwartet, dass Londons Banken schon bald damit anfangen, Abteilungen in Euro-Staaten zu verlagern. Bislang profitieren die Finanzkonzerne genau wie die Exportindustrie vom Binnenmarkt der EU. Sie können ihre Produkte überall in Europa verkaufen, ohne vor Ort Genehmigungen einholen zu müssen.

Aber Mays bisherige Äußerungen deuten darauf hin, dass Großbritannien nach dem Brexit nicht mehr am Binnenmarkt teilnehmen soll. Dann müsste das Königreich keine EU-Einwanderer oder Urteile des Europäischen Gerichtshofs akzeptieren. Die Politikerin scheint stattdessen ein Freihandelsabkommen anzustreben. Damit würde es weiterhin keine Zölle geben, doch bürokratische Hürden, etwa Genehmigungspflichten, beseitigt so ein Vertrag nicht. Deswegen will London für wichtige Branchen wie die Finanz- oder Autoindustrie Sonderregeln aushandeln, die ungehinderte Geschäfte garantieren.

Einigen sich die Regierung und Brüssel nicht schnell auf solche Regeln, könnte der Schaden schon entstanden sein. Banken und Industrie hätten dann bereits vorsorglich Abteilungen verlagert und Investitionen umgeleitet. May ist daher auf das Entgegenkommen der EU angewiesen.

Enden die Gespräche ergebnislos, ohne Handelsvertrag, wären von 2019 an tatsächlich Zölle fällig. Das wäre schlecht für alle Beteiligten, aber besonders bitter für die britischen Exporteure. May könnte dann wirklich versucht sein, die Insel mit Steuersenkungen attraktiver zu machen.

Doch der Steuersatz für Gewinne ist mit 20 Prozent bereits recht niedrig, und bis 2020 wird er planmäßig auf 17 Prozent fallen. Dabei kämpft Schatzkanzler Hammond schon jetzt mit einem Defizit im Haushalt. Volkswirte erwarten zudem, dass die Unsicherheit wegen des Brexit Konjunktur und Steuereinnahmen belasten wird. Hammonds Drohung, Großbritannien in eine Steueroase zu verwandeln, wirkt darum wenig glaubwürdig.

Es würde ohnehin schwer, auf diesem Feld mit dem Nachbarn Irland zu konkurrieren. Dort werden Gewinne mit schlanken 12,5 Prozent versteuert. Und obendrauf, als kleines kostenloses Extra, profitieren ausländische Investoren von den Vorteilen der EU-Mitgliedschaft.

© SZ vom 17.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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