Kommentar:Seid keine Kaninchen

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Die Digitalisierung kostet jetzt schon Jobs. Aber es bringt nichts, in Schockstarre zu verfallen.

Von Helmut Martin-Jung

Wir haben euch ja gewarnt! So kann, so muss man wohl auch die Nachricht verstehen, dass beim Online-Händler Zalando bis zu 250 Beschäftigte der Marketing-Abteilung ihren Job verlieren werden - an Computer. Künftig sollen Algorithmen auf Basis einer riesigen Datenmenge den Kunden speziell auf sie zugeschnittene Angebote unterbreiten, erheblich individueller als Menschen das könnten. Und andere Firmen werden folgen, auch und gerade in Branchen, in denen viele das nicht unbedingt erwarten.

Das Entscheidende daran ist jedoch nicht, dass dergleichen passiert. Das Entscheidende ist, was daraus folgt. Und das ist: Wer nicht ersetzt werden will, muss sich unersetzlich machen. Auf absehbare Zeit werden Computersysteme und ihre Algorithmen, wird künstliche Intelligenz nur vergleichsweise einfache, sich häufig wiederholende Tätigkeiten ersetzen.

Vor superintelligenten Maschinen, die vielleicht auch noch herumlaufen können und es womöglich sogar auf uns Menschen abgesehen haben, muss sich, wenn überhaupt, noch lange niemand fürchten. Man lasse sich aber nicht täuschen: Hier und heute geht es keineswegs nur um die häufig als Beispiel angeführten Supermarkt-Kassiererinnen und ähnliche Berufsbilder. Auch viele einfachere Bürotätigkeiten werden in manchen Firmen bereits jetzt und bald mehr und mehr von Computern erledigt werden. Schneller, kostengünstiger und rund um die Uhr.

Wie aber macht man sich schwer ersetzbar? Indem man Dinge leistet, die Computer nicht leisten können. Das kann sehr vieles sein, immer aber wird dabei Schöpferisches eine Rolle spielen, Kreativität, aber auch Empathie und Erfahrung - Eigenschaften also, die den Menschen auszeichnen, die ihn eigentlich ausmachen.

Angewendet aufs Arbeitsleben bedeutet das: Wer auch künftig einen Job finden will, muss, erstens, eine gute Ausbildung haben, und zweitens bereit sein, dazuzulernen, umzulernen. Denn auch das ist ja eine Auswirkung der immer mehr von Technik geprägten Welt: Sie ändert sich erheblich schneller als früher. Für den Einzelnen heißt das, nicht stehen zu bleiben. Eine Ausbildung gemacht, ein Studium absolviert und dann 40 Jahre denselben Beruf ausgeübt - das wird es immer seltener geben. Wer sich immer wieder anpassen kann, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit profitieren, die Unflexiblen werden es schwer haben.

Natürlich muss auch das Bildungssystem diesen Wandel aufgreifen und sowohl die nachwachsende Generation wie auch die Älteren auf die neuen Herausforderungen vorbereiten. Gefragt ist dabei weniger reines Faktenwissen, sondern eher die Fähigkeit, diese Fakten einordnen und bewerten zu können, kreativ damit umgehen zu können. Vor allem auf die Benachteiligten ist dabei zu achten, auf Kinder aus armen Familien, aus Familien mit Migrationshintergrund.

Wer eine Neigung dazu hat, zu programmieren, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit eine gefragte Arbeitskraft. Doch es braucht auch Geisteswissenschaftler, die Dinge hinterfragen und quer denken können. Wer sonst sollte verhindern, dass Programmierer und Ingenieure alleine bestimmen, wie die Welt aussieht? Dass Algorithmen die Vorurteile, die es ohnehin gibt, noch potenzieren?

Manche blicken nun in einer Schockstarre wie das Kaninchen auf die Schlange Digitalisierung. Womöglich in der Hoffnung, dieses Digital-Gedöns werde schon wieder vorübergehen und alles so werden wie früher. Wenn sich die Menschheit nicht in die Steinzeit zurückbombt, wird es dazu nicht kommen. Deshalb wäre nichts tun die schlechteste aller Varianten.

© SZ vom 10.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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