Kommentar:Schwarzer Peter

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Marc Beise erlebte bereits die Krise 2008 als SZ-Wirtschaftsredakteur. Es ist eine prägende Erinnerung. Illustration: Bernd Schifferdecker (Foto: ipad)

Die wahren Helden dieser Geschichte sind die Tengelmann-Mitarbeiter, die trotz Sorgen um ihren Arbeitsplatz ihren Job machen. Aber wer sind die Schurken?

Von Marc Beise

Die wahren Helden dieser Geschichte sind die Menschen in den Tengelmann- und Kaiser's-Läden, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die auch in den vergangenen Wochen häufig noch engagiert und freundlich den Dienst am Kunden geleistet haben, obwohl ihnen natürlich zum Heulen zumute ist. Der Niedergang der bekannten Marken hat sich lange angekündigt, und nun ist das Ende nahe. Das Mitgefühl mit den Angestellten vor Ort paart sich mit dem Impuls, Schuldige zu benennen, der Einfachheit halber am besten: den einen zentralen Schuldigen zu identifizieren.

In diesem Spiel üben sich nun alle Beteiligten, und das macht die Zuweisung nicht einfacher. Ist es Tengelmann-Eigentümer Karl-Erivan Haub? Oder ReweChefmanager Alain Caparros, der sich die Gegenklage bisher nicht abkaufen lassen will? Oder die Wettbewerbshüter, die Richter, die Politik?

Am besten zerlegt man das Drama in mehrere Zeitabschnitte. Dann kann man zunächst auf den deutschen Verbraucher an und für sich zeigen, der ausgerechnet bei Lebensmitteln und anderen Produkten des Alltags häufig nicht an hochwertigen Produkten, sondern vor allem an niedrigen und niedrigsten Preisen interessiert ist, was dazu führt, dass die Gewinnmargen in dieser Branche klein sind. Wo so sehr auf Kante gewirtschaftet wird, ist es besonders anspruchsvoll, im Markt zu bestehen.

Sodann stößt man bei der Suche nach dem Schuldigen auf die Tengelmann-Eigentümerfamilie Haub, die die einst prosperierende Marke über Jahre zugrunde gerichtet hat. Mangelnde Wertschätzung, mangelnde Bereitschaft zum Investieren, mangelnde Markenpflege kann man in vielen sich lieblos darbietenden Tengelmann- und Kaiser's-Läden buchstäblich erleben. Das provoziert die Erinnerung an eine andere Kaufmannsfamilie namens Schlecker, die ihre Drogeriekette einst regelrecht verkommen ließ und skandalös in den Ruin trieb.

Schwache Marke, Manager im Clinch, machtbewusster Minister - das ging schief

Als nun im Falle Tengelmann die Haubs sich des für sie immer kostspieligeren Eigentums entledigen wollten, gerieten sie in die Kreise des Wettbewerbsrechts und der Politik. Das Bundeskartellamt, das in der regelgeleiteten Marktwirtschaft den Wettbewerb schützen soll, durchkreuzte die Pläne des Verkaufs an den Rivalen Edeka mit guter juristischer Begründung. Dagegen war es ein Fehler, dass Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel das Verbot mit dem ihm zustehenden, aber heiklen Instrument der Ministererlaubnis aushebeln wollte.

"Ich bin nicht in die Politik gekommen, um zuzuschauen, wie Menschen etwas angetan wird": Mit diesem sympathischen Satz hat Gabriel zugleich, wenn er ihn denn ernst meinte, sein Unverständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge offenbart. Der Minister, der auch SPD-Chef ist und Gewerkschaftsmitglied, will Arbeitsplätze retten, ja - aber er kann nicht wissen, ob sein Weg der richtige war oder der genau falsche. Sein Amtsvorgänger Philipp Rösler von der FDP hielt sich im Falle Schlecker demonstrativ raus und verweigerte sogar eine staatliche Auffanggesellschaft. Das kostete ihn viele Sympathien, und doch war es der ehrlichere Weg.

Wenn die Dinge so kompliziert und verfahren sind, dann kann die Politik in der Regel keine gute Lösung im Einzelfall bewirken. Der hemdsärmelige Gabriel wollte sich zum Herrn des Verfahrens machen, der Verkäufer und Käufer, Juristen und Gewerkschaften die Regeln des Wirtschaftens diktiert. Das kann auf Dauer nicht funktionieren. Selbst wenn es an diesem Wochenende doch noch eine Einigung geben sollte, wären die Jobs wieder nur vorläufig gesichert.

© SZ vom 15.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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