Kommentar:Schön reden reicht nicht

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Nie zuvor haben die G-20-Staaten so viel über das Klima diskutiert und verhandelt wie beim Gipfel in Hamburg. Doch jenseits der Causa Trump haben die Staaten wenig auf den Weg gebracht: Ihrem Aktionsplan fehlen die Aktionen.

Von Michael Bauchmüller

Eines muss man den G 20 lassen: Sie wissen, wo die Menschheit der Schuh drückt. Vor Jahren schon, nur zum Beispiel, prangerten sie die hohen Kosten für Überweisungen ins Ausland an. Wer fernab von zu Hause schuftete, um seine Familie daheim zu unterstützen, musste schon für die simple Überweisung zehn Prozent und mehr abdrücken. Zu viel, befanden die 20 Industrie- und Schwellenländer: Bis 2014 solle der Satz auf fünf Prozent halbiert werden.

Was das mit dem Klima zu tun hat? Auch bei den Überweisungen war das Ziel richtig, aber erreicht wurde es nicht. Auf die Kommastelle erhebt die Weltbank nun die globalen Gebühren. Und in diversen Erklärungen der G 20 wurde das Ziel brav wiederholt. Geholfen hat es wenig.

Deshalb sind auch die Hamburger Beschlüsse zum Klimaschutz alles andere als sensationell. Mag ja sein, dass Amerikas Klimaflegel Donald Trump nun abermals isoliert dasteht. Doch wenn die übrigen 19 nun bekräftigen, dass sie das Abkommen von Paris "uneingeschränkt" umsetzen wollen, dann betonen sie eine Selbstverständlichkeit - schließlich haben die 19 allesamt das Abkommen unterzeichnet. Bis auf Russland und die Türkei haben auch alle schon ratifiziert. So sehr hat Amerikas Präsident Donald Trump die Gewichte schon verschoben: Das Selbstverständliche gilt plötzlich als bemerkenswert.

Sogar einen "Aktionsplan" für das Klima haben die 19 Staaten auf die Beine gestellt, doch auch er ist im Wesentlichen eine Ableitung der Beschlüsse von Paris. Er ruft dieses in Erinnerung, bestätigt jenes "nochmals", "ermutigt" hier und "begrüßt" da. Nur konkrete Aktionen, die enthält der Aktionsplan nicht. Selbst der Vorstoß, die Gruppe der Industrie und Schwellenländer könnten zwei Jahre vor allen anderen Langfristpläne für Klimaschutz vorlegen, verschwand aus den Entwürfen für den Hamburger Plan.

So hat der Klimaschutz seinen Platz auf der Agenda der Mächtigen genauso gefunden wie einst die Überweisungen - nur: Es folgt nichts. "Ineffiziente Subventionen" für Klimakiller, zum Beispiel, wollen die 19 "mittelfristig rationalisieren". Doch in Deutschland lassen sich die größten Dienstautos nach wie vor am besten von der Steuer absetzen. Eine "Energiewende zu nachhaltigen Energiesystemen" wollen die 19 anstoßen. Doch Länder wie China exportieren weiterhin fleißig Kohlekraftwerke in die Welt. Von der deutschen Energiewende ganz zu schweigen: Die Kohlekraft floriert wie eh und je. Auch die Auswirkungen des Klimawandels wollen die 19 eindämmen, vor allem bei den Ärmsten - also dort, wo Wetterextreme und steigende Meerespegel tatsächlich Existenzen bedrohen. Doch gleichzeitig fördern G-Länder wie Saudi-Arabien, Brasilien, Kanada, Indonesien, Russland, Südafrika oder Australien weiter auf Teufel komm raus Kohle, Öl und Gas. Aktionen rund um diesen simplen Zusammenhang verkneift sich der Aktionsplan. Sie sind nicht konsensfähig.

Es zählt zu den paradoxen Erfolgen Donald Trumps, dass er mit seiner Abkehr vom Pariser Klimaabkommen dessen Rückhalt erst mobilisiert hat. Nie zuvor sorgte der Klimaschutz bei einem G-20-Gipfel für so viele Debatten wie am vorigen Wochenende in Hamburg. Nur wird das Klima nicht dadurch gerettet, dass man darüber redet - so wenig, wie sich Geld billiger überweisen lässt, weil 20 Mächtige das gerne wollen. Schlimmer noch: Der so wichtige Vertrag von Paris könnte zu einer Fata Morgana von Klimaschutz werden, tausendfach bekräftigt, unterstrichen und wortreich in Gipfeldokumenten gewürdigt. Nur nie eingelöst.

Nicht nur bei den G 20 klafft derzeit diese Lücke zwischen Wort und Tat. So hatten die Staaten schon in Paris vereinbart, nicht bis 2020 zu warten; dann erst tritt das Abkommen offiziell in Kraft. Schon vorher wollten sie mehr für das Klima tun, und so vereinbarten sie es auch in dem Vertrag. Doch von diesen Akut-Maßnahmen für mehr Klimaschutz hat die Welt bisher kaum eine gesehen. Wenn die Frist in drei Jahren verstrichen ist, werden Appelle von einst daran erinnern, was man eigentlich mal hatte tun wollen.

Keine Frage, das Klima gehört auf die Tagesordnung der Mächtigen; es war gut, dass die deutsche Präsidentschaft ihm so viel Raum gegeben hat. Nur dürfen schöne Tagesordnungen die Welt nicht in der Sicherheit wiegen, das Problem sei erkannt und werde demnächst gebannt. Im Gegenteil: Mit jedem Gipfel, der zwar neue Pläne beschließt, sie aber im Unkonkreten belässt, wird es nur gravierender.

Übrigens: Dem Problem der Überweisungen haben die G20 in Hamburg auch einen eigenen Absatz gewidmet. Er findet sich in einem "Aktionsplan".

© SZ vom 11.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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