Kommentar:Riskanter Befreiungsschlag

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Die Geschichte von Infineon ist kurz, die Liste der Schlagzeilen über den Konzern umso länger.

Markus Balser

Der geheimnisumwobene Sturz des schillernden Ex-Chefs Ulrich Schumacher, Machtkämpfe, persönliche Feindschaften und ein bizarrer Korruptionsfall im Topmanagement, schwache Zahlen, Streik und Werksschließung - all das sorgte in den vergangenen Jahren für Aufregung.

Für Vorstandschef Wolfgang Ziebart, der vor gut einem Jahr die Nachfolge des geschassten Schumacher antrat, war es ein zäher Start. Ziebart verstörte die Investoren mit seiner zögerlichen Haltung.

Über die Trennung von Randbereichen näherte er sich nur langsam den Kernproblemen des Konzerns. Nun aber geht der Infineon-Chef einen entscheidenden Schritt weiter. Ein schwerer Eingriff soll das Überleben des Chipherstellers sichern. Es ist die eigene Zerschlagung.

Richtig - aber spät

Für Infineon bedeutet die Abspaltung des Speichergeschäfts einen massiven Strategieschwenk. Für Ziebart soll sie mehr sein: Befreiungsschlag, Schlussstrich und Signal des Aufbruchs zugleich. Die Entscheidung über die künftige Strategie von Infineon drängte, denn das Unternehmen schreibt tiefrote Zahlen.

Die Aufspaltung kommt spät, aber sie ist richtig. In beiden Geschäftsfeldern kann sich der Konzern nicht gleichzeitig weiterentwickeln. Im hart umkämpften Massengeschäft mit den Speicherchips müssen die neuesten Produktionstechnologien eingesetzt werden. Das erfordert Milliardeninvestitionen, die sich Infineon bei schwachen Ergebnissen derzeit nicht leisten kann.

Doch wer technologisch hinterherhinkt, erzielt niedrigere Preise: Ein Teufelskreis. Dagegen kommt es im Geschäft mit spezialisierteren Logikchips auf individuelle Lösungen für einzelne Kunden an. Die Erfolgskriterien in beiden Bereichen laufen auseinander.

Doch ob die Aufspaltung tatsächlich zum Befreiungsschlag für den Konzern wird, ist ungewiss. Zu viele Fragen bleiben offen. Das Infineon-Speichergeschäft hinkt manchem Wettbewerber technologisch mehrere Monate hinterher, die Margen sind schwach, der Konkurrenzkampf ist hart.

Die Suche nach Investoren für den vom Management bevorzugten Börsengang des angeschlagenen Geschäftsfeldes dürfte schwierig werden. Noch drängender aber stellt sich den Beschäftigten die Frage, was aus den verbleibenden Sparten wird.

Denn dass Infineon als deutlich kleinerer Hersteller von Logikchips zum Beispiel für die Automobilindustrie und für die Kommunikationsbranche allein überleben kann, ist keinesfalls ausgemachte Sache.

© SZ vom 18.11.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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