Kommentar:Riskante Übernahme

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Die Lufthansa würde gern ihre ehemalige Tochter Condor zurückkaufen. Der Ferienflieger würde gut in den Konzern passen. Doch um ihn zu bekommen, wären wohl ein paar schmerzhafte Zugeständnisse nötig.

Von Jens Flottau

Als sich die Pleite von Air Berlin vor ziemlich genau zwei Jahren abzeichnete und die Fluggesellschaft auf einen Retter hoffte, stand die Lufthansa vor einem Dilemma. Air Berlin war zugrundegerichtet, die Übernahme würde enorm teuer. Selbst eine Zusammenarbeit barg enorme Risiken. Zugleich gab es da noch die Condor: wirtschaftlich gesund mit attraktiven Langstrecken und auf der Suche nach einer besseren Perspektive als im angeschlagenen Touristikkonzern Thomas Cook. Beides gleichzeitig würde nicht gehen - niemals würden die Wettbewerbshüter zustimmen, hieß es damals.

Nun aber versucht es die Lufthansa doch. Gut die Hälfte von Air Berlin hat der Konzern übernommen und die Flotte der Tochter Eurowings um 77 Flugzeuge vergrößert. Vergangene Woche gab Lufthansa nun auch ein unverbindliches Angebot für Condor ab, das sogar noch auf die anderen Airlines von Thomas Cook ausgeweitet werden könnte, falls das die Erfolgschancen des Geschäfts verbessert.

Aus Sicht der Lufthansa ist das Interesse an Condor sehr nachvollziehbar. Die Ferienfluggesellschaft kennt sich in dem Bereich besonders gut aus, in dem die Lufthansa traditionell Schwächen hat: den Privatreisen. Lange war der Konzern mit seiner Star Alliance stark auf die Bedürfnisse von Geschäftsreisenden ausgerichtet, doch das wirklichen Wachstum liegt längst woanders. Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat das vor Jahren erkannt und mit Eurowings gegengesteuert. Die Zweitmarke betreibt mittlerweile mehr als 200 Flugzeuge, ist aber immer noch stark defizitär - auch, aber längst nicht nur wegen der Integration von Air Berlin.

Eurowings hat viele Schwächen: Komplexität, handwerkliche und strategische Fehler. Vor allem die Langstrecke ist bislang ein Flop. Die starke Expansion in Düsseldorf, der alten Basis von Air Berlin und LTU, war ein teures Abenteuer, das nun beendet wird. Die meisten Großraumflugzeuge von Eurowings ziehen nach Frankfurt und München um. Auch wenn also das Schlimmste überwunden zu sein scheint, das Image von Eurowings hat durch operationelle Probleme massiv Schaden genommen: Flugzeuge, die irgendwo wegen technischer Mängel liegen geblieben sind, erboste Passagiere, auf der Kurzstrecke kam noch die teilweise chaotische Integration von Air Berlin dazu.

Aus heutiger Sicht machte die Lufthansa einen Fehler, als sie sich 2009 von den letzten knapp 25 Prozent an Condor trennte. Einst hatte die Airline sogar ganz zum Konzern gehört. Sie wäre schon länger eine gute Basis gewesen, um im Privatreise-Segment vor allem auf der Langstrecke wieder besser Fuß zu fassen.

Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht ist die Lage allerdings kompliziert. Auf der Langstrecke gibt es zwar kaum Überschneidungen, der Wettbewerb würde also nicht auf einzelnen Strecken reduziert. Wohl aber könnte der Lufthansa-Konzern seine Marktstellung insgesamt weiter stärken. Die größten Schwierigkeiten drohten bei einer Condor-Übernahme aber im Europaverkehr. Laut einer Analyse fliegt Condor derzeit mit insgesamt 56 Prozent ihrer Kapazität in Konkurrenz zu einer Fluggesellschaft des Lufthansa-Konzerns, vor allem Eurowings. Es drohen also erhebliche Auflagen, wenn die Lufthansa auch den Europaverkehr von Condor übernehmen will.

Der Vorteil aber wäre: Condor könnte als Unternehmen erhalten bleiben und würde nicht aufgespalten. Lufthansa ist realistischerweise der einzige Bieter, der diese Perspektive eröffnen kann. Denn schon heute profitiert Condor in Frankfurt erheblich davon, dass viele Passagiere auf Zubringerflügen mit der Lufthansa anfliegen. Diese Kooperation würde sicherlich stark eingeschränkt, wenn ein Konkurrent den Zuschlag für die Übernahme bekäme, denn Frankfurt wird ja nun auch Basis der Eurowings-Langstrecke. So gesehen gibt es für diesen Teil des Condor-Geschäfts kaum Alternativen.

So attraktiv Condor also ist, so groß wäre auch die Kröte, die Lufthansa für eine Übernahme schlucken müsste. Thomas Cook betreibt auch in Großbritannien und Skandinavien ähnliche Airlines. Sollte ein anderer Kaufinteressent für alles bieten, müsste Lufthansa nachziehen, nur um die eigenen Chancen auf den Zuschlag zu wahren. Dann würde sie aber auch Airlines besitzen, die sie eigentlich gar nicht haben will. Noch also ist der Fall voller Unwägbarkeiten. Wie schnell sich die Dinge aber wenden können, zeigt das Beispiel des Konkurrenten TUIfly: Einst zum Verkauf und zur Fusion mit der damaligen Etihad-Tochter FlyNiki freigegeben, ist sie schon längst wieder Kerngeschäft des Touristikkonzerns.

© SZ vom 13.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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