Schon wieder kursiert in Deutschland ein gefürchtetes Schlagwort, das böse Erinnerungen weckt: Seit der internationalen Finanzkrise verbinden Menschen mit der Bad Bank eine Sammlung wertlosen Schrotts. Eine, die große Institute anhäuften, um gewaltige Risiken an Dritte abzugeben. In der Finanzkrise bürdeten Banken der Allgemeinheit auf diese Weise gigantische Verluste auf. Für Bürger wie Politiker ist seitdem klar: Ein solches Fiasko darf sich nicht wiederholen. Nicht in der Finanzbranche und auch in keinem anderen Wirtschaftszweig.
Kritisch schaut Deutschland deshalb in diesen Tagen auf die weitreichenden Veränderungen der Energiebranche. Denn mit den Entscheidungen vom Montag forciert der Energiekonzern Eon einen so radikalen wie bislang in der Branche einmaligen Umbau: die eigene Aufspaltung. Deutschlands größter Versorger zerlegt sich Anfang des nächsten Jahres selbst in einen grünen (Sonne, Wind und Netze) und einen schwarzen Teil - das Geschäft mit Atom, Kohle und Gas.
Erinnerungen werden wach, weil Eon die neue Firma teils an die eigenen Aktionäre verschenken und teils über die Börse verkaufen will. Parallelen mit der Finanzbranche drängen sich auf, denn Eon ist wohl nicht allein. In der vergangenen Woche schloss auch der Rivale RWE einen entsprechenden Schritt ausdrücklich nicht mehr aus, jedenfalls, sofern sich die eigene Krise verschärft.
Drohen den Steuerzahlern die nächsten Milliardenrisiken - etwa in der Atomkraft?
Die nächste Industrie stößt also ab, was ihr zu riskant erscheint. Droht sich damit bereits wenige Jahre nach dem Höhepunkt der weltumspannenden Finanzkrise trotz aller Warnungen das Beispiel der Bad Bank an anderer Stelle zu wiederholen? Deponieren da gerade Strommanager wie einst Banker auf ihren Firmenhalden, was die Unternehmen belastet? Und drohen damit den deutschen Steuerzahlern die nächsten Milliardenrisiken - etwa in der Atomkraft, wo hohe Folgekosten in der Abwicklung warten?
Die Antworten der Branche auf solche Fragen sind so eindeutig wie fantasievoll. Man wisse ja nicht einmal, welche der beiden Gesellschaften sich künftig profitabler entwickeln werde, kokettierte Eon-Chef Johannes Teyssen noch zum Start der Spaltung mit den Zukunftschancen beider Unternehmensteile. "Uniper" taufte Eon am Montag seine Ausgliederung. Der Konzern erfand damit ein Kunstwort zusammengesetzt aus "Unique" und "Performance". Für einzigartige Leistungsfähigkeit soll das stehen. Ein anderes vollmundiges Versprechen lieferte Teyssen schon vorher ab: die Teilung des Konzerns werde nicht mit weiterem Personalabbau einhergehen.
Doch die Hochglanzdarstellung des Konzerns könnte täuschen. Das Misstrauen der Öffentlichkeit ist berechtigt. Der Eon-Chef wäre eine glatte Fehlbesetzung, wüsste er wirklich nicht, wo die Chancen der Zukunft liegen und welchen Unternehmensteil er besser an die eigenen Aktionäre verschenkt.
Die klassische Energieerzeugung hat nicht nur die politische Unterstützung eingebüßt, sie hat auch ihre alte Geschäftsgrundlage verloren. Sonne und Wind drängen Großkraftwerke immer häufiger aus dem Netz. Damit ist völlig offen, wie jene neue Eon-Gesellschaft wirtschaftlich überleben soll, in der die klassische Energieversorgung gebündelt wird. Selbst wenn sie wie geplant ohne Schulden startet. Das Versprechen, keine Jobs zu streichen, wird die Führung von Uniper angesichts des erwarteten Kraftwerkssterbens jedenfalls kaum über das nächste Jahr retten können.
Die ehrliche Antwortet an das Land und die Steuerzahler lautet: Die Branche hat endgültig verstanden, wo in Zukunft die Chancen des Energiesektors liegen - und wo die Risiken. Ihre Versuche, aus der Krise zu kommen, unterscheiden sich damit weit weniger als den Deutschen lieb sein kann, von denen der Banken mit ihren toxischen Papieren. Während sich die neue Eon frei von Ballast zu einem der internationalen Vorreiter der Energiewende entwickeln will, droht Uniper schnell an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit zu geraten. Der grüne Boom wird weitergehen, der Strompreis weiter sinken. Dutzende Kraftwerke müssen in den nächsten Jahren vom Netz gehen. Nur staatliche Hilfen könnten der neuen Gesellschaft passable Geschäfte garantieren.
In der Bad Bank der Institute wurden Risiken zerlegt, sortiert und aufbereitet, damit der andere Teil des Bankgeschäfts überleben konnte. Nichts anderes passiert derzeit in der deutschen Energiebranche. Wieder werden bunte Prospekte aufgelegt, wieder Gefahren in Chancen umgetauft. Und wieder dürfte das für den Steuerzahler teuer werden.