Kommentar:Offenheit schafft Erfolg

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Mehr Transparenz ist besser als weniger. Deshalb wäre es falsch, Quartalsberichte für Unternehmen abzuschaffen. Sie müssten besser werden.

Von Harald Freiberger

Die Art, wie Donald Trump Politik macht, erinnert bisweilen an den frühen Bob Dylan. Der berichtete 1963 in einem satirischen Song, dass ihn Präsident Kennedy angerufen und gefragt habe: "Mein Freund Bob, was brauchen wir, damit das Land wächst?" Und er, Dylan, habe geantwortet: "Mein Freund John: Brigitte Bardot, Anita Ekberg, Sophia Loren, das Land wird wachsen."

Nun hat US-Präsident Trump, wie er vergangene Woche berichtete, in seinem Feriendomizil "einige der weltbesten Wirtschaftschefs" empfangen und ihnen eine ähnliche Frage gestellt: Was brauchen wir, um das Geschäft und den Jobmarkt noch zu verbessern? Einer habe geantwortet: "Stoppt die Quartalsberichte und geht zu einem Sechs-Monats-System über." Genau das will Trump jetzt von der US-Börsenaufsicht SEC prüfen lassen.

Der Vorgang zeigt zum einen, dass sich US-Präsidenten zu allen Zeiten um das wirtschaftliche Wohlergehen ihres Landes gesorgt haben. Und zum anderen, dass man nur den Richtigen fragen muss: Wer einen Protestsänger fragt, muss damit rechnen, eine höhnische Antwort zu bekommen. Und wer einen Wirtschaftsboss fragt, wird eine unternehmensfreundliche Antwort bekommen. Der Unterschied zwischen Kennedy und Trump ist nur, dass Letzterer die Antwort gleich in Politik umsetzt. Ob damit aber das Land wächst, ist sehr zu bezweifeln.

Die Pflicht börsennotierter Unternehmen, am Ende jedes Quartals Bericht über die Geschäftslage zu erstatten, wurde in den USA 1934 zum Schutz der Investoren eingeführt. In der vorhergehenden Weltwirtschaftskrise hatten viele Anleger ihr Vermögen verloren. Vorher mussten Unternehmen nur ein Mal im Jahr berichten. Die vierteljährliche Berichterstattung sollte die Transparenz erhöhen und damit das verlorene Vertrauen in die Börse wiederherstellen.

Blickt man auf die inzwischen 84-jährige Geschichte der Quartalsberichterstattung zurück, fällt die Bilanz durchaus gemischt aus. Positiv ist, dass sie im Großen und Ganzen die Transparenz erhöht hat. Ein Unternehmen, das sich über die Öffentlichkeit finanziert, sollte diese auch häufiger als einmal im Jahr über den Stand der Geschäfte informieren. Die Entwicklung der Börsen in den Industriestaaten ist eine Erfolgsgeschichte - trotz Bilanzskandalen, trotz Abstürzen. Die geforderte Transparenz hat zu diesem Erfolg maßgeblich beigetragen.

Das Negative an der Quartalsberichterstattung ist, dass sie nicht denselben Status hat wie der Bericht zum Abschluss des Geschäftsjahres. Das liegt daran, dass sie nicht von einem Wirtschaftsprüfer zertifiziert werden muss. Ein Unternehmen kann also eher mit Zahlen tricksen als am Jahresende. Manche Leute, die sich auskennen, nehmen die Quartalsberichte deshalb auch nicht so ernst. Die Regeln wurden zuletzt zudem gelockert, die Deutsche Börse etwa verlangt nur noch jedes halbe Jahr einen ausführlichen Bericht, dazwischen nennen die Firmen oft lediglich Umsatz und Auftragseingänge.

Die Kritik gipfelt in dem Vorwurf, dass die Quartalsberichterstattung Manager zu kurzfristigem Denken verleite. Anders als nicht börsennotierte Mittelständler schielten sie nur auf schnelle Gewinne und vernachlässigten langfristige, nachhaltige, gesellschaftlich wertvolle Ziele.

Wägt man Für und Wider, fällt es trotzdem schwer, die Quartalsberichterstattung für ein Übel zu halten. Anleger, die einem Unternehmen ihr Geld geben, können gar nicht genug geschützt werden. Es leuchtet jedem ein, dass häufigere Berichterstattung und mehr Transparenz besser sind als weniger. Es ist auch schwer nachzuvollziehen, warum es für Unternehmen im Zeitalter der allzeit verfügbaren, umfassenden Daten so kompliziert und teuer sein soll, dreimonatlich zu berichten.

Und was das kurzfristige Denken betrifft: Jede Firma tut gut daran, auf beides zu schauen, auf die langfristige Strategie und auf das aktuelle Geschäft. Das andere Extrem wäre ein Fünf-Jahres-Plan nach sozialistischem Vorbild - ein Modell, das sich historisch auch nicht bewährt hat.

Nein, die Lösung ist es nicht, auf einen Halbjahres-Rhythmus umzustellen. Die Lösung wäre es eher, die Quartalsberichterstattung noch zu stärken. Langfristig gibt es kein besseres Geschäftsgebaren, als redlich Geld zu verdienen und darüber regelmäßig und offen zu kommunizieren. Den größten Vorteil hätte das Sechs-Monats-System nur für die Manager. Für sie wäre es bequemer, sie müssten sich weniger anstrengen und könnten leichter mit den Zahlen jonglieren. Aber, mein Freund Donald, was gut für die Manager ist, muss noch nicht gut sein fürs Land.

© SZ vom 21.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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