Kommentar:Nie wieder

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Das Einlenken der Europäischen Kommission im Streit um eine europaweite Einlagensicherung ist eine Chance, nun endlich das wichtigste Projekt in Angriff zu nehmen: die Reform der Euro-Zone. Denn die nächste Krise kommt bestimmt.

Von Alexander Hagelüken

Was war das jahrelang für ein Kampf um das Geld der Sparer, vor allem der deutschen. Die EU-Kommission wollte die nationale Absicherung der Sparerkonten europäisieren. Deutsche Notfonds hätten womöglich für unsolide spanische oder griechische Banken gehaftet. Das erregte verständlicherweise nicht nur Sparkassenpräsidenten, sondern auch die Bundesregierung. Nun vollzieht Brüssel eine Wende.

Die EU-Kommission signalisiert, es habe Zeit mit der europaweiten Einlagensicherung. Mindestens wird sie abgespeckt. Man darf das als Zeichen werten, dass wichtige Akteure vernünftig werden - und sich aufs Wesentliche konzentrieren. Das Wesentliche ist eine rasche Reform der Euro-Zone, bevor der nächsten Krise gelingt, was die letzte fast geschafft hätte: die Währungsunion wegzufegen.

Selten war die Chance für eine Reform der Euro-Zone so günstig wie jetzt

Eine solche Reform scheitert ohne die Unterstützung großer Euro-Staaten. Deshalb war es höchste Zeit, ein Projekt aufzuschieben, das die Urangst des größten Euro-Staats Deutschland weckt: Eine Währungsunion als Pipeline, die unbegrenzt Geld an unsolide Volkswirtschaften pumpt. Andererseits sollte den Deutschen klar sein, dass sich eine Euro-Reform nicht von A bis Z in Berlin verfassen lässt. Wenn etwas geschehen soll, damit die Währung erhalten bleibt, von der der Export-Weltmeister so profitiert, muss es einen Kompromiss geben.

Erfreulicherweise öffnet sich dafür ein historisches Zeitfenster. Anders als befürchtet, gelangten weder in den Niederlanden noch in Frankreich Rechtspopulisten an die Macht. Sobald sich in der Bundesrepublik eine Regierung abzeichnet, kann Europa handeln. Die EU steht besser da, als nach dem Brexit-Votum zu befürchten war. Die Briten finden keine Nachahmer. Sie sehen nicht mehr aus wie eine Avantgarde des Rückzugs in nationale Stärke, zu der sie mancher stilisieren wollte, sondern wie ein Haufen nervöser Verlierer.

Europa darf sich für die Reform aber nicht zu viel Zeit lassen. Schon die Wahl in Italien Anfang 2018 verheißt dem Euro schwere Turbulenzen. Bereits die jüngste fragwürdige Bankenrettung im drittgrößten Euro-Land zeigte, dass noch keine Prinzipien für eine dauerhaft stabile Währungsunion verankert sind.

Genau darum geht es: Die Lehren aus der Krise zu ziehen, die den Euro-Klub den längsten Teil dieses Jahrzehnts in Atem hielt - und fast gesprengt hätte. Die erste Konsequenz ist ein "Nie wieder!". Nie wieder dürfen sich die Euro-Mitglieder so auseinanderentwickeln, dass einige an der Pleite schrammen. Eine Währungsunion kollabiert, wenn Schulden und Löhne in manchen Staaten ungebremst steigen, während andere maßhalten. Die Erfahrung der ersten 15 Euro-Jahre sagt: Es braucht eine stärkere Zentralinstanz, die ein Auseinanderdriften verhindert.

"Im Optimalfall gäbe es einen europäischen Finanzminister. Der hätte ein Vetorecht gegen einen nationalen Haushalt und müsste die Höhe der Neuverschuldung genehmigen." Das ist nicht O-Ton Emmanuel Macron 2017, sondern Wolfgang Schäuble 2012. Es bedeutet zweierlei. Zum einen sind manche Ideen des französischen Präsidenten weniger neu als suggeriert. Und zum anderen sollte ein solcher Finanzminister vor allem Wächter der Währungsunion sein, wozu sich Macron noch nicht bekannt hat.

Die zweite Konsequenz aus der Euro-Krise enthält deutlich mehr Macron als Schäuble: Die Euro-Gemeinschaft muss sich mehr als Gemeinschaft verstehen denn als Klub der Nationen. Klar, erst mal muss jeder die Regeln einhalten, statt Schulden auf Kosten aller zu machen. Aber wenn es beispielsweise zu einer globalen Rezession kommt, sollte den Schwächeren mit dem Euro-Budget geholfen werden, das Macron vorschwebt. Und jedes Land sollte ausreichend in seine Infrastruktur investieren, was auch Aufträge für Unternehmen anderer Euro-Mitglieder bedeutet. Deutschland hat dafür die finanziellen Mittel, es müsste sich nur von der Ideologie der schwarzen Null verabschieden.

Striktere Regeln, aber auch mehr gemeinsame Ausgaben: Wie realistisch ist eine solche Reform? Vor allem zu verbindlicheren Etat-Vorgaben waren viele Euro-Mitglieder bisher nicht bereit. Deutschland und Frankreich sollten sich rasch auf die Grundzüge eines Reformkonzepts verständigen - und dann mit einer Werbetour durch die Euro-Zone beginnen. Denn die nächste Krise kommt bestimmt. Die Währungsunion ist darauf schlecht vorbereitet. Deshalb bedarf es jetzt einer Reform. Und die darf am Ende auch nicht am generellen Widerstand des potenziellen Koalitionspartners FDP gegen zusätzliche Ausgaben scheitern.

© SZ vom 06.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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