Kommentar:Nicht führbar

Lesezeit: 3 min

Seit Montag ist der Bahn-Konzern ohne Chef. Die Bundesregierung muss sich entscheiden: Soll die Bahn wirtschaftlich arbeiten oder der Daseinsfürsorge dienen.

Von Karl-Heinz Büschemann

Die Deutsche Bahn steckt in einer Krise. Mal wieder. Der größte deutsche Verkehrskonzern hat keinen Chef mehr, seit am Montag der Vorstandsvorsitzende Rüdiger Grube zurückgetreten ist. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht. In dieser misslichen Lage sieht der Aufsichtsrat des Staatskonzerns schlecht aus, weil er keinen Nachfolger hat. Aber nicht nur der Aufsichtsrat ist ratlos, auch der Eigentümer Bund weiß offenbar nicht weiter. Diese Krise legt ein Grundproblem der Deutschen Bahn offen: Sie ist in der jetzigen Form nicht führbar.

Die Bahn ist offiziell eine Aktiengesellschaft. Inoffiziell ist sie ein Staatsunternehmen am Gängelband der Bundesregierung. Was bei der Bahn passiert, spricht den Regeln guter Unternehmensführung (Corporate Governance) Hohn.

Wie jede Aktiengesellschaft hat die Bahn einen Vorstand, der das Tagesgeschäft führt. Darüber sitzt, wie ebenfalls bei jeder anderen AG, der Aufsichtsrat. Der kontrolliert den Vorstand, vor allem aber ist es dessen Aufgabe, das richtige Vorstandspersonal zu finden. So ist es im Aktiengesetz vorgesehen.

Bei der Bahn ist bedauerlicherweise manches anders. Der Bahnvorstand hat nicht eine Kontrollebene, sondern zwei Aufpasser: den Aufsichtsrat und die Bundesregierung, ohne die bei der Bahn kein wichtiger Posten besetzt wird. Und es wird noch komplizierter: In der Bundesregierung selbst hat die Bahn wieder zwei Kontrolleure: den Verkehrsminister (im Moment ist es Alexander Dobrindt von der CSU ). Doch, wenn es um wichtige Personalien geht, hat das Kanzleramt das letzte Wort. Die entscheidende Kontrolleurin der Bahn ist Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Der Aufsichtsrat der Bahn ist zudem besonders benachteiligt, weil er von der Bundesregierung jederzeit in die Wüste geschickt werden kann. Das ist bei einer privaten Aktiengesellschaft anders, wo Kontrolleure nicht einfach so gefeuert werden können. Der Bahnaufsichtsrat hängt zwischen Baum und Borke und macht in der jetzigen Führungskrise den Eindruck eines subalternen Handlangers. Er ist faktisch nur der Headhunter des Kanzleramts, der Chefkandidaten vorab auswählt, über die in der Regierung entschieden wird. So lässt sich ein Unternehmen nicht führen.

Die Bahn wird in Berlin auch über 20 Jahre nach der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft noch immer nicht als Unternehmen verstanden, sondern als Beute der Parteien und als Behörde, in der man verdiente Politiker unterbringen kann. Es gibt in der Hauptstadt einen Deal: Bekommt die SPD den Chefposten der Bundesagentur für Arbeit, kriegt die CDU den Chefposten der Bahn. So darf sich derzeit Ronald Pofalla, der frühere CDU-Kanzleramtsminister, Hoffnung auf die Grube-Nachfolge machen.

Und es herrscht eine Kultur der politischen Tricks. Der wortschnelle Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hielt es in diesen Tagen nicht für notwendig, den Aufsichtsratschef Utz-Hellmuth Felcht zu stützen und sorgte so dafür, dass auch der noch ins Rutschen kam. Jetzt auch noch den Aufsichtsratschef zu feuern, hätte die Krise der Bahn aber noch verschlimmert.

Der Konzern schafft den Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und Versorgungsauftrag nicht

Der Bund weiß nicht, was er mit der seinem Verkehrskonzern vorhat. Will er eine politische Bahn, die eine Daseinsfürsorge wahrnimmt, bis in jedes Dorf fährt und dem Staat dauerhaft auf der Tasche liegen wird? Das wäre legitim. Oder will er eine wirtschaftlich geführte Bahn. Auch dafür sprechen gute Gründe. Erst wenn diese Fragen beantwortet sind, kann der Aufsichtsrat sich daran machen, einen Grube-Nachfolger zu finden. Eine politische Bahn könnte vom alten Merkel-Vertrauten Pofalla geführt werden, der schon seit 2015 bei der Bahn auf diese Chance wartet. Will der Bund aber eine wirtschaftlich agierende Bahn, müsste ein Manager mit Industrieerfahrung gesucht werden. Das kann dauern. Der Bahn-Schleudersitz genießt bei Führungskräften der Wirtschaft wenig Ansehen.

Den Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und Versorgungsauftrag hat der Konzern seit der großen Bahnreform im Jahr 1994 nicht geschafft. Die Bahnmanager beklagen mit einigem Recht, dass die Bundesregierung in den zurückliegenden Jahren vieles getan hat, um die Konkurrenz von Lkw und Fernbus zum echten Problem für die Bahn zu machen.

Sinnvoll wäre es, erst einmal, die Bahn zu einer normalen AG zu machen, die agieren kann wie ein privater Konzern mit einem Großaktionär und die Freiheit genießt, von täglichen Interventionen des Eigentümers verschont zu sein. Eine Bahn am Gängelband verschiedener Regierungsstellen ist ein Alptraum.

© SZ vom 03.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: