Kommentar:Musterland mit Makel

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Kein Zweifel: Irland hat die Erfolgsgeschichte der Euro-Rettung geschrieben. Dem Land geht es gut. Was hat die Regierung in Dublin anders gemacht als jene in Athen oder Lissabon? Sie hat vor allem: schnell gehandelt und Bedingungen akzeptiert.

Von Björn Finke

Hier wächst die Wirtschaft so schnell wie nirgendwo sonst in Europa und das bereits im dritten Jahr in Folge. Die Arbeitslosenquote ist kräftig gesunken und das Land schon seit mehr als zwei Jahren nicht mehr auf den Rettungsschirm der EU angewiesen. Kein Zweifel: Irland hat die Erfolgsgeschichte der Euro-Rettung geschrieben.

Zwar wird es immer noch keine neue Regierungskoalition geben, wenn sich an diesem Dienstag die Abgeordneten des Dáil Éireann, des irischen Parlaments, zu einer Sitzung versammeln. Trotz des beeindruckenden Booms haben die Bürger die Koalition, die das Land aus der Krise geführt hatte, bei den Wahlen Ende Februar heftig abgestraft. Ein neues Regierungsbündnis zu finden, ist deshalb schwer. Aber diese Wahlschlappe ändert nichts daran, dass sich Krisenstaaten wie Griechenland einiges abschauen können vom erfolgreichen irischen Sanierungskurs.

Das Erfolgsrezept: Die Regierung reagierte schnell auf die Krise

Einer der Gründe für Irlands rasante Erholung ist, dass die Regierung schnell reagierte. Im Jahr 2010 musste das Land Schutz unter dem Euro-Rettungsschirm suchen. Wie die anderen Krisenländer auch verpflichtete sich Irland gegenüber der Troika (also EU, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds), zu sparen und die Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen. Dieses Versprechen fiel Irland jedoch viel einfacher als etwa Griechenland. Denn die Regierung hatte ohnehin schon einen Plan aufgestellt, wie der Haushalt wieder ins Lot gebracht werden kann.

Als die Vertreter der Troika in Dublin ankamen, wurden sie weder feindselig empfangen, noch stießen sie die irischen Verhandler vor den Kopf. Stattdessen segnete die Troika den existierenden Plan im Großen und Ganzen ab. Das war ein wichtiges Signal für Investoren: Die irische Regierung muss nicht zum Sparen geprügelt werden, sondern sie beweist Handlungsfähigkeit und entwickelt selbst eine Lösung für die Probleme.

Es gelang der Regierung zudem, das harte Sparprogramm ohne allzu heftige Proteste umzusetzen. Zwar gingen auch in Irland Zehntausende Menschen auf die Straße, aber es kam nicht zu Generalstreiks, die das Land lahmgelegt hätten, oder zu blutigen Straßenschlachten. Diese Stabilität in der Krise zahlte sich aus: Ausländische Konzerne investierten weiter in Irland, eröffneten trotz der horrenden Haushaltsdefizite und der taumelnden Banken Büros und Fabriken. Sie vertrauten darauf, dass das Land die Wende schafft.

Irland schuf wertvolles Vertrauen, das Griechenland verspielt hat.

Irland fiel die Wende auch leichter, weil der Staat über ein funktionierendes Wirtschaftsmodell verfügt: Eine gut ausgebildete junge Bevölkerung, die englisch spricht, und niedrige Steuern lockten und locken Firmen aus aller Welt an. Anders als in Griechenland musste die Regierung die Wirtschaft also nicht mitten in der Krise auf Wettbewerbsfähigkeit trimmen.

Und doch straften die Iren die Koalition von Premier Enda Kenny jetzt ab. Das liegt daran, dass viele Bürger vom rapiden Wachstum nichts spüren. Sie spüren vor allem, dass sie wegen der Sparprogramme mehr Steuern zahlen und weniger Leistungen bekommen. Das Wahlergebnis könnte eine neue Regierung dazu verleiten, großzügig Geschenke zu verteilen. Schließlich boomt die Wirtschaft, das Haushaltsdefizit ist klein.

Das aber wäre fatal, denn der Schuldenstand der Staates ist nach der Bankenrettung immer noch beunruhigend hoch. Er liegt bei 97 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die Regierung sollte alles daran setzen, diesen Berg schnellstmöglich abzutragen. Das Wohl und Wehe der irischen Wirtschaft hängt an der Weltwirtschaft, hängt an den Exporten. Eine neue Krise im Euro-Raum oder ein Brexit - ein EU-Austritt des Nachbarn Großbritannien - könnten das Wachstumsmärchen schnell beenden. Die beste Vorbereitung auf so einen Abschwung ist es, die Schulden zu senken, damit die Regierung in schlechten Zeiten mehr Spielräume hat.

Außerdem sollte die neue Regierung dringend Steuer-Schlupflöcher für Konzerne schließen. Der niedrige Satz von 12,5 Prozent auf Gewinne stellt ein wichtiges Argument beim Werben um Investoren dar. Das ist in Ordnung. Nicht in Ordnung ist es, Firmen in Absprachen eine noch geringere Steuerlast zu garantieren. Die EU-Kommission geht dem Verdacht nach, dass irische Finanzbehörden Apple so entgegenkamen. Berüchtigt ist auch die Steuer-Konstruktion des "Double Irish", mit der Konzerne Gewinne in Steueroasen verschieben können. Dieses Schlupfloch hat die Regierung inzwischen dicht gemacht. Ein guter Anfang.

© SZ vom 22.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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