Kommentar:Mehdorns letzte Chance

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Der Bahnchef muss nach den Preisen auch sein Verhältnis zu den Kunden gründlich ändern.

Klaus Ott

(SZ vom 3.7.2003) — Die Deutsche Bahn hat einen schlechten Ruf, aber auch ihre guten Seiten. Die meisten Regionalzüge und S-Bahnen sind pünktlich unterwegs, weil der veraltete Fuhrpark durch moderne Loks und Wagen ersetzt und das einst marode Schienennetz für viel Geld saniert werden.

Die Fahrgäste freuen sich, wenn Bahnhöfe renoviert werden und vergammelte Haltestellen verschwinden. Die Anstrengungen lohnen sich für das Staatsunternehmen DB — und für Vorstandschef Hartmut Mehdorn. Die Unternehmensbereiche Nahverkehr und Schienennetz laufen besser als geplant, bei den Gütertransporten sieht es auch gut aus.

Wenn nur die Fernzüge nicht wären, die doch eigentlich das Prunkstück der Bahn sein sollen. ICE und InterCity kommen oft verspätet ans Ziel, viele Reisende ärgern sich über verpasste Anschlusszüge, und das vor einem halben Jahr als Revolution gepriesene neue Preissystem hat die Kundschaft erst recht vergrault.

Statt, wie angekündigt, die teilweise verwirrenden Tarife zu vereinfachen, hatten Mehdorn und seine Vorstandskollegen für noch mehr Chaos gesorgt.

Damit soll nun Schluss sein. Der Bahnchef will die erbosten Fahrgäste besänftigen und den Medien möglichst keinen Anlass mehr für böse Schlagzeilen liefern.

Die vom Bahnvorstand als Jahrhundertwerk gepriesene Tarifreform wird nach nur sechs Monaten durch die Rückkehr zur alten Bahncard, mit 50 Prozent Rabatt bei freier Zugwahl, entscheidend korrigiert. Das starre Frühbucher-System besteht weiter, wird den Kunden aber nicht mehr aufgedrängt.

Neue Philosophie des Reisens

Eine neue Philosophie des Reisens wollten die DB-Manager dem Verbraucher vermitteln: Plane jede Zugreise ganz genau und spare auf diese Weise viel Geld, statt einfach einzusteigen. Nach einem schmerzhaften und für die Bahn sehr teuren Lernprozess hat Mehdorn immerhin verstanden: Die Kunden lassen sich nicht einfach von oben herab umerziehen.

Diese Erkenntnis allein und die daraus gezogenen Konsequenzen genügen aber nicht, um das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen. Soll das Ziel der Bundesregierung erreicht werden, die umweltfreundliche Bahn zu stärken und mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen, muss Mehdorn auch andere Schwächen - wie die vielen Verspätungen im Fernverkehr — beseitigen und die eigenen Kunden sorgsamer pflegen.

Auf dem jüngsten Höhepunkt der Krise, als Mitte Mai zwei Fernverkehrs-Manager gefeuert wurde, verlängerte die Regierung als Eigner der Bahn Mehdorns Vertrag bis 2008. Das ist trotz aller Kritik unser Mann, wollte Kanzler Gerhard Schröder damit sagen. Hilfreicher wäre es, auch die Fahrgäste könnten das behaupten. Bei denen hat Mehdorn nach dreieinhalb Jahren an der Spitze der Bahn nicht mehr viel Kredit.

Mehdorns letzte Chance

Schafft der oft ruppig auftretende Vorstandschef nun nicht die Wende, dann gelingt es ihm wohl nie mehr, die Bahn als angesehenes Dienstleistungs-Unternehmen zu etablieren. Es ist seine letzte Chance. Mehdorn muss für eine bessere Atmosphäre, einen besseren Service und für bessere Informationen sorgen, kurz: den Kunden das Gefühl und die Gewissheit geben, ernst genommen statt beschimpft zu werden.

Sein Auftritt am Mittwoch überzeugte da noch nicht so ganz, als er über eine öffentliche "Jagd" gegen das gescheiterte Preissystem jammerte. "Fasse Dich kurz", hatte der Bahnchef allen Ernstes noch im Frühjahr jenen Verbrauchern und deren Verbänden geraten, denen die gebührenpflichtige Fahrplanauskunft am Telefon zu teuer war.

Hätte der Vorstand stattdessen auf Pro Bahn und andere Organisationen gehört, die ein Desaster der Tarifreform prophezeiten, wäre der Bahn vieles erspart geblieben. Natürlich muss Hartmut Mehdorn auch hart kämpfen, gegen unsinnige Projekte wie den Metrorapid oder gegen krasse Nachteile beim Wettbewerb mit Auto und Flugzeug — aber eben mit den richtigen Mitteln und an den richtigen Fronten.

Sonst werden die vielen guten Seiten der Bahn weiterhin zu wenig wahrgenommen.

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