Kommentar:Lieber keine Champions

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Müssen sich in Europa Konzerne zusammenschließen, um gegen China zu bestehen? Hoffentlich verhindert das die Wettbewerbskommissarin.

Von Björn Finke

Es ist eine Überraschung, aber eine freudige: Margrethe Vestager bleibt oberste Wettbewerbshüterin Europas. Die liberale Politikerin hat in den vergangenen fünf Jahren als Wettbewerbskommissarin manchem Konzern das Fürchten gelehrt und auch unbequeme Entscheidungen nicht gescheut. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beförderte die Dänin verdientermaßen zur Exekutiv-Vizepräsidentin. So weit, so erwartet. Unerwartet war hingegen, dass Vestager gleichzeitig das Wettbewerbsportfolio behalten soll. Dies macht die 51-Jährige zu einer der mächtigsten Frauen in der europäischen Wirtschaft. Und es sendet ein ermutigendes Signal, dass sich bei Brüssels Wettbewerbspolitik vermutlich nicht viel ändern wird.

Das ist auch gut so. Zuletzt ist die Arbeit der Kartellwächter in die Kritik geraten, vor allem aus Deutschland und Frankreich. Die Regierungen beider Länder sind erzürnt, dass Vestager die Fusion des Eisenbahngeschäfts der Industriekonzerne Siemens und Alstom verboten hat. Die EU befürchtet, der neue Gigant hätte mit seiner Übermacht dem Wettbewerb in Europa geschadet. Die Deutsche Bahn etwa hätte dann mehr für ihre Züge zahlen müssen, aus Mangel an Konkurrenzangeboten, und Fahrkarten wären teurer geworden.

Berlin und Paris argumentieren hingegen, dass der Kontinent europäische Champions braucht, große marktbeherrschende Konzerne, weil diese besser im Wettbewerb mit aggressiven Rivalen aus China oder den USA mithalten können. Die Regierungen sprechen sich daher für weichere Regeln bei der Fusionskontrolle aus; sie schlagen zudem vor, dass die Vertretung der Mitgliedstaaten in Brüssel Entscheidungen der EU-Wettbewerbsbehörde aufheben kann.

Doch das ist der falsche Weg. Zwar sollten Wettbewerbshüter berücksichtigen, dass Märkte heute anders funktionieren als noch vor zehn Jahren, dass neue staatlich gepäppelte Konzerne aus China etablierten Unternehmen aus Europa kräftig zusetzen. Das kann allerdings keine Rechtfertigung dafür sein, schädliche Folgen von Fusionen in EU-Staaten nonchalant zu ignorieren. Hebeln Firmen durch einen Zusammenschluss den Wettbewerb in manchen europäischen Märkten aus, können sie dort mehr verdienen, zulasten der Verbraucher. Der schöne Geldsegen mag beim Kampf gegen Rivalen aus Fernost und den USA helfen, aber zugleich macht ein Mangel an Wettbewerb Manager träge - und er entmutigt Start-ups, sich in dieser Branche zu versuchen: Konkurrenz belebt das Geschäft. Vestagers Aufstieg nährt die Hoffnung, dass solch gefährliche Vorschläge aus Paris und Berlin weiter keine Chance haben.

© SZ vom 12.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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