Kommentar:Leere Versprechen

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Premierministerin Theresa May verspricht den Unzufriedenen ihre Hilfe. Sie wird vieles nicht halten können. Seit sie im Amt ist, hat sie vieles angekündigt, und am Ende kamen nur verwässerte Vorschläge heraus. Der Brexit macht es ihr nicht leichter.

Von Björn Finke

Theresa May gibt mal wieder die fürsorgliche Landesmutter. Am Montag stellte die britische Premierministerin ihre Ideen zur Industriepolitik vor. Sie verordnet dem Staat eine aktivere Rolle; die Regierung wird zukunftsträchtige Branchen auswählen und fördern. Die Konservative will zudem mehr Geld in Forschung und Infrastruktur stecken. Das hehre Ziel des Programms: Mehr Menschen in allen Ecken des Landes sollen vom Erfolg der Wirtschaft profitieren.

Die Ideensammlung reiht sich nahtlos ein in Mays bisherige Reden. Stets verkündet sie eine stärkere Rolle des Staates, immer soll dies dem Wohle jener dienen, die sich abgehängt fühlen und nicht am Boom teilhaben. Das garniert May gerne mit Kritik an vermeintlich abgehobenen und unpatriotischen Managern.

Das klingt sympathisch, wenn auch ungewöhnlich für eine britische Konservative. Doch sollten sich die Unzufriedenen und Benachteiligten im Königreich nicht zu viel von Mays Reformen versprechen. Bisher mündeten ihre starken Ankündigungen bloß in verwässerten Initiativen. Und das alles überschattende Thema von Mays Amtszeit, der EU-Austritt, wird das Los der sozial Schwachen weiter verschlechtern - ganz egal, welche hübschen wirtschaftspolitischen Ideen May aus dem Hut zaubert.

Viele Briten fühlen sich abgehängt. Ihnen will May helfen. Doch das wird schwer

Die Konservative argumentiert immer, es sei beim Brexit-Referendum nicht nur um die Themen Einwanderung und EU gegangen. Viele Bürger hätten für den Austritt gestimmt, weil sie sich abgehängt und unverstanden von einer reichen Londoner Elite fühlten, diagnostiziert May. Und damit hat sie wohl recht. Zwar wuchs die Wirtschaft rasant in den vergangenen Jahren, aber die Löhne stagnierten lange Zeit. Mays Vorgänger David Cameron kappte die Sozialausgaben, um den Haushalt nach der Finanzkrise zu sanieren. Das hielt ihn freilich nicht davon ab, Steuern auf Gewinne zu senken.

May will nun die Lage einfacher Arbeiterfamilien verbessern und zugleich anstößiges und unsoziales Verhalten von Topmanagern ächten. Sie versprach, dass wie in Deutschland Arbeitnehmervertreter in die Führungsgremien der Konzerne einziehen, um den Chefs auf die Finger zu schauen. Zudem sollten Aktionäre die Managergehälter in Abstimmungen billigen müssen. Mays Vertraute, Innenministerin Amber Rudd, drohte, dass Firmen über ihren Anteil ausländischer Beschäftigter informieren müssten. Das sollte den Druck erhöhen, mehr Briten anzustellen. Alle drei Vorschläge machten viel Wirbel; alle drei Vorschläge wurden am Ende kassiert oder verwässert.

Auch künftig werden der Lobpreis des starken Staates und die populäre bis populistische Managerschelte nur belanglose Reförmchen zum Ergebnis haben. Denn May kann es sich schlicht nicht erlauben, unfreundlich zu Konzernen und Investoren zu sein. Und das liegt am Brexit.

Hier scheint die Premierministerin ihren harschen Worten tatsächlich harsche Taten folgen zu lassen. Vergangene Woche verkündete sie, Großbritannien werde nach dem Austritt 2019 weder am Binnenmarkt noch an der Zollunion teilnehmen. Über Monate schon deuteten Mays Äußerungen in diese Richtung, aber jetzt herrscht unbarmherzige Klarheit.

Londons Banken bedienen heute Kunden in der ganzen EU. Verlässt das Königreich den Binnenmarkt, dürfen sie das wohl nicht mehr. Die Konzerne werden darum bald anfangen, Zehntausende Jobs in Euro-Staaten zu verlagern. Binnenmarkt und Zollunion sind auch wichtig für die Exportindustrie, etwa die boomenden Autohersteller. Ihre Fabriken schaffen lukrative Arbeitsplätze gerade in den ärmeren Regionen. Also in jenen Gegenden, denen May so gerne helfen will. Doch der Brexit macht grenzüberschreitende Geschäfte mühsamer. Die Autokonzerne könnten bei Investitionen Werke auf dem Festland vorziehen.

Die Premierministerin wird alles tun, um Großbritannien in diesen schwierigen Jahren als attraktiven Standort zu präsentieren. Und sie wird alles unterlassen, was Managern auf den Geist gehen könnte.

Der Brexit gefährdet aber nicht nur Arbeitsplätze. Der Absturz des Pfundkurses seit dem Referendum verteuert Importiertes, die Preise für Lebensmittel werden steigen. Das trifft Geringverdiener besonders hart. Zudem wird die Unsicherheit über die künftigen Handelsbeziehungen die Konjunktur belasten und somit die Steuereinnahmen. May kann also keine Wohltaten an arme Familien verteilen. Sie muss froh sein, wenn sie um brutale Kürzungen im Sozialen herumkommt.

Die vermeintlich fürsorgliche Landesmutter und ehrgeizige Reformerin könnte sich schon bald in eine Sparkommissarin und Krisenmanagerin verwandeln.

© SZ vom 24.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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