Kommentar:Lebenslange Begleitung

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Illustration: Bernd Schifferdecker (Foto: N/A)

Versicherer wollen Kunden mit gesundheitsbewusstem Verhalten belohnen. Dafür sammeln sie Daten. Wer das zuerst im Griff hat, gewinnt.

Von Herbert Fromme

Der Versicherer Generali gibt Kunden künftig Gutscheine und Rabatte, wenn sie sich gesundheitsbewusst verhalten. Wer läuft, im Fitnessstudio trainiert und Lebensmittel kauft, die Generali für gesund hält, zahlt weniger. Kernstück des neuen Angebots ist eine riesige Datensammlung, die von den Kunden selbst und angeschlossenen Supermärkten und Studios gefüllt wird.

Gutscheine für mehr Fitness, das ist nicht wirklich neu. Krankenkassen machen das seit Jahren. Auch die Datensammlung an der Registrierkasse ist ein alter Hut. Für kleine Belohnungen geben Millionen Deutsche täglich freiwillig ihre Einkaufsdaten an Payback.

Das Programm des Versicherungskonzerns ist dennoch an entscheidender Stelle neu: Er führt die Daten über das Verhalten seiner Kunden systematisch zusammen, und diese Daten beeinflussen irgendwann auch die Preise. Zunächst geht es um die Risiko-Lebensversicherung, später die private Krankenversicherung.

Die Generali wehrt sich gegen den Vorwurf, Fitte und Unfitte zu sortieren. Es gehe nur darum, gesünderes Verhalten zu belohnen, nicht den Gesundheitszustand. Aber gerade die Versicherungsmanager wissen, dass eine Vergünstigung für eine große Gruppe langfristig zu höheren Preise für die anderen führt.

Das Unternehmen hat schon bei der ersten Ankündigung 2014 heftige Prügel für seine Pläne bekommen. Dennoch hält es daran fest. Denn die Versicherer haben riesige Probleme mit ihrem alten Geschäftsmodell. Die Branche rechnet bisher mit den eigenen Schadenerfahrungen aus der Vergangenheit. Die Daten sind viel gröber und fehlerhafter als das, was Big Data und Internet heute zustande bringen. Zu Recht sorgen sich die Versicherer, dass Internet-Riesen wie Google ihr Wissen über die Kunden selbst nutzen und ins Versicherungsgeschäft einsteigen. Oder dass sich in den sozialen Netzen Gruppen bilden und die Versicherung nach dem Gegenseitigkeitsprinzip selbst in die Hand nehmen.

Bremsen kann die Gier nach Daten nur der Gesetzgeber

Nein, in diesen Zeiten reicht es nicht mehr, die Prämie abzubuchen und Schäden zu zahlen. Die Versicherer wollen Lebensbegleiter werden, die bei der Gesundheit ihrer Kunden, dem Autofahren und der Sicherheit der Wohnung zum unverzichtbaren Helfer werden - und nebenbei unglaublich viel über sie erfahren.

Der Einzelne kann sich kaum dagegen wehren. Viele wollen den Versicherern ihre Daten verweigern. Aber wenn die Systeme erst einmal gut funktionieren, sind die Prämien für die "guten" Risiken in Tarifen mit Datenweitergabe so viel niedriger als bislang, dass die betroffenen Kunden in Scharen dorthin wechseln. Bei traditionellen Anbietern bleiben die Kunden mit schlechtem Risiko zurück, die Prämien dort gehen hoch.

Die Versicherer graben sich ihr eigenes Grab, wenn sie das Solidarprinzip aushöhlen, wird eingewandt. Da ist etwas dran. Doch den einzelnen Konzern muss das nicht interessieren. Big Data gibt den Gesellschaften ganz neue Möglichkeiten, die Risikoanalyse unendlich zu verfeinern. Wer das zuerst kann, gewinnt im Konkurrenzkampf.

Wirklich bremsen kann den Datenhunger der Versicherer nur der Gesetzgeber. Als Zwischenschritt müssen die Gesellschaften Selbstverpflichtungen für den Umgang mit den neuen Kundendaten abgeben, deren Einhaltung unabhängig geprüft wird. Daten- und Verbraucherschützer müssen dafür sorgen, dass die Anbieter die Versprechen zur Datensicherheit und Nichtdiskriminierung Kranker einhalten. Und Kunden sollten wachsam sein. Nicht jede vorgeblich fürsorgliche Betreuung nutzt ihnen wirklich.

© SZ vom 26.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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