Kommentar:Konzentration ist riskant

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Groß bleiben oder sich aufspalten - darum geht es gerade beim US-Unternehmen Arconic. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass Mischkonzerne prinzipiell von Übel sind.

Von Karl-Heinz Büschemann

Die nächste Runde des Glaubenskrieges findet in Amerika statt. Beim US-Industriekonzern Arconic geht es am Donnerstag auf dessen Aktionärsversammlung um die Frage, wie lange ein Unternehmen sich einen schwachen Börsenkurs erlauben will. Der lange als Alcoa bekannte Aluminium-Konzern ist auch in Deutschland bekannt, weil er vom ehemaligen Siemens-Chef Klaus Kleinfeld geführt wurde. Der hat Alcoa aufgespalten und umgebaut, nun ist er gefeuert worden.

Die Glaubensfrage heißt: Sollen Unternehmen sich auf eine Branche konzentrieren, wie Kleinfeld das wollte - oder ist es besser, breit aufgestellt zu sein, um die Konjunkturrisiken in den unterschiedlichen Märkten besser auspendeln zu können? Es ist der Streit zwischen vermeintlich modernen und angeblich rückwärtsgewandten Ansichten. Es ist ein Streit über Schwarz und Weiß, über Richtig und Falsch.

Es ist ein Irrtum zu glauben, dass Mischkonzerne prinzipiell von Übel sind

Dabei gibt es diesen schlichten Antagonismus in der Wirtschaft so wenig wie in anderen Bereichen des Lebens. Aber viele Konzernchefs lassen sich von den Finanzmärkten und ihren Ideologen, von Investmentbanken und Beratern bei ihren Entscheidungen in einfache Wahrheiten hineintreiben. Das ist riskant, weil diese Einflüsterer ihre Meinung gelegentlich wechseln und vielleicht bald einen neuen Modetrend empfehlen. Zudem geht es um mehr als Profite. Es geht auch um die Arbeitsplätze und die soziale Verantwortung von Unternehmen in einer Gesellschaft. Beides wird von den eloquenten Predigern des Shareholder Value-Gedankens selten gesehen. Sie bieten verführerisch einfache Lösungen für komplexe Probleme. Das macht sie gefährlich.

Seit die Globalisierung um sich greift, gelten Konglomerate als das Übel der Firmenkultur schlechthin. Mischkonzerne seien intransparent und kompliziert, sagen die Sprachrohre der Finanzmärkte. Die Aktionäre könnten nur profitieren, wenn ein Unternehmen sich ausschließlich in einer Branche bewege. Und so berichten viele Konzernführer den Finanzmärkten brav von Abspaltungsplänen.

Siemens etwa hat schon viele Verkäufe hinter sich und denkt jetzt sogar darüber nach, sein erfolgreiches Medizintechnik-Geschäft an die Börse zu bringen. Bayer hat sich von der klassischen Chemie verabschiedet, Linde hat im Laufe von zehn Jahren die Gabelstapler und Eismaschinen verkauft und denkt darüber nach, auch den Anlagenbau zu verkaufen. Ein engeres Produktportfolio soll das ohnehin schon profitable Unternehmen noch profitabler machen.

Diese Sicht ist zu einfach, sie ist sogar gefährlich, und es geht auch anders. Das Chemieunternehmen BASF hat ein großes Öl- und Gasgeschäft. Wäre der Stuttgarter Technologiekonzern Bosch an der Börse, würde das Unternehmen, das von Kühlschränken bis zur elektronischen Steuerung von Elektroautos ein scheinbar buntes Produktprogramm anbietet, trotz seiner Erfolge von den Finanzmärkten mit der Forderung nach Fokussierung wohl sturmreif geschossen. Die Schweizerische ABB hat sich gerade mit aller Kraft gegen das Ansinnen eines großen Aktionärs gewehrt, sich aufzuspalten und eine Hälfte des Geschäfts abzusprengen.

Es ist ein Irrtum zu glauben, dass Mischkonzerne prinzipiell von Übel sind. Im Gegenteil können gerade sie erfolgreich sein - wenn die verschiedenen Bereiche nur miteinander vernetzt sind. Das aber ist hohe Management-Kunst, die offenbar nicht jeder versteht.

Hätte Siemens nicht unter dem Vorstandschef Peter Löscher die Automobiltechnik verkauft, wären die Münchner heute ein führender Anbieter von Technologie für das Elektroauto. Dieses Zukunftsgeschäft werden nun andere machen. Was haben die Linde-Aktionäre davon, dass ihr Oberstratege Wolfgang Reitzle einen reinen und erfolgreichen Gaskonzern geschaffen hat, der angeblich nur noch dadurch erfolgreicher werden kann, dass er demnächst mit einem US-Konzern verschmolzen wird? Dann ist er kein eigenständiges Unternehmen mehr. Das Ideal der Fokussierung stößt irgendwann an Grenzen.

Es spricht vieles dafür, dass fokussierte Unternehmen leichter zu führen sind. Aber sie sind auch stärker gefährdet, wenn es in einer Branche mal schlecht läuft. Der vermeintliche Erfolg des fokussierten Unternehmens ist mit einem erhöhten Risiko des Untergangs erkauft.

Dass es erfolgreiche und schlechte Unternehmen gibt, liegt nicht nur an der Zahl der Produkte, die es anbietet, sondern vor allem an der Qualität des Managements. Ein Unternehmen kann gut geführt werden oder schlecht. Auch wenn es fokussiert ist.

© SZ vom 23.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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