Kommentar:Kluge Kunden an der Tankstelle

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Es klingt wie eine gute Idee: Das Kartellamt macht die Benzinpreise transparent, Kunden können jederzeit vergleichen. Jetzt zeigt sich: Das hat auch Nachteile. Denn es hilft auch den Konzernen. Nun bleibt noch ein Ausweg.

Von Caspar Busse

Eines ist mit großer Gewissheit zu sagen: Die Spritpreise sind immer zu hoch, zumindest wenn man die Autofahrer fragt. Sie wollen für den Liter Benzin und Diesel möglichst wenig zahlen, und wenn sie doch stärker zur Kasse gebeten werden, sind die großen Tankstellenbetreiber schuld, die sich ja ohnehin nur absprechen - zum Nachteil des Verbrauchers. Hier die bösen, gewinnmaximierenden und abzockenden Ölkonzerne, da der arme, hilflose Kunde. Doch so einfach ist die Sache nicht.

Es ist gut fünf Jahre her, als das Bundeskartellamt in Bonn - das Amt begreift sich mehr und mehr als Verbraucherschutzbehörde - die vielen Klagen aufgriff und sie zum Anlass nahm, um eine umfassende Marktuntersuchung durchzuführen. Es wurden Befragungen aller Marktteilnehmer organisiert, es wurden Daten analysiert, er wurden Vergleichsmärkte herangezogen. Das Ergebnis, das die Wettbewerbshüter am Ende präsentieren mussten, war durchaus ernüchternd. Denn belastbare Beweise für Preisabsprachen oder gar ein kartellähnliches Vorgehen der Tankstellenbetreiber wurden nicht gefunden.

Die Preistransparenz nutzt den Konzernen. Verbraucher sollten sich aber schlauer anstellen

Es liegt auf der Hand, dass der Wettbewerb unter den derzeit etwa 15 000 Tankstellen in Deutschland eingeschränkt ist. Das Produkt, also Benzin oder Diesel, ist weitgehend austauschbar, es gibt also kaum Möglichkeiten, sich von seinem Konkurrenten abzugrenzen. Dazu kommt, dass die Spritpreise, deren größter Anteil Steuern sind, von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängen: von den internationalen Rohölpreisen und von Währungskursen, die wiederum auf Ereignisse der Weltpolitik reagieren. Gibt es eine Krise am Golf, steigen plötzlich die Rohölnotierungen. Kann sich die Opec beispielsweise nicht auf gemeinsame Fördermengen einigen, sinken die Preise schlagartig wieder.

Das Problem: Es gibt wenige große Konzerne, die mit Marken wie Aral, Shell, Total, Esso und Jet einen gewichtigen Teil des Marktes beherrschen und gegenüber den vielen, meist kleinen freien Tankstellen eine große Macht haben. Erhöht einer von ihnen den Preis, ziehen oft die Anbieter in der direkten Nachbarschaft nach. Auch kurz vor den Ferien oder zu Feiertagen wie Ostern oder Pfingsten gehen die Notierungen erfahrungsgemäß gerne mal nach oben. Es handle sich um ein "marktbeherrschendes Oligopol", heißt es. Verboten ist es aber nicht.

Das alles mag ärgerlich für die Verbraucher sein, einschreiten konnte das Kartellamt nicht. Die Behörde wollte den Kunden dann auf andere Weise helfen: Sie stellte per Gesetz mehr Transparenz her. Die Tankstellen sind seit nunmehr drei Jahren verpflichtet, Preisänderungen "in Echtzeit", also innerhalb von fünf Minuten, an eine Markttransparenzstelle zu melden. Die Informationen werden dann kostenlos an die Anbieter von Vergleichsportalen und Apps weitergeleitet. Die Hoffnung: Mehr Transparenz ermöglicht, dass die Kunden dort tanken können, wo es billiger ist, dass der Wettbewerb besser in Gang kommt.

Das war auf den ersten Blick sinnvoll.

Doch nach drei Jahren zeigt sich: Die Bilanz für die Autofahrer ist ernüchternd, viel hat sich nicht getan. Dafür haben vor allem die großen Konzerne profitiert. Denn sie verfügen nun über die notwendigen Daten, die sie auch noch kostenlos und frei Haus geliefert bekommen, um die Preise noch genauer anzupassen. So steigen nun abends plötzlich die Spritnotierungen an den Tankstellen, dann nämlich, wenn kleinere und billigere Konkurrenten schließen und viele Autofahrer nicht mehr bereit sind, große Umwege für ein paar Cent Ersparnis zu fahren. Schon werden speziell Computerprogramme zu "Preisoptimierung" entwickelt. Die Folge: Die Anzeigen an den Tankstellen ändern sich immer öfter, die Kunden verlieren die Übersicht. Innerhalb einer Stadt liegen die Preise inzwischen nach Ermittlungen des Kartellamts im Laufe eines Tages um bis zu 30 Cent auseinander. Bei einer Tankfüllung von 50 Liter kann das 15 Euro ausmachen. Kleinere Tankstellenbetreiber klagen, dass die neue Transparenz vor allem den Konzernen nutzt.

Und jetzt? Die Kunden sind gar nicht so hilflos, wie sie oft tun. Andreas Mundt, der Präsident des Bundeskartellamts, appelliert zu Recht an die Verantwortung der Verbraucher. Sie sollten die neue Transparenz stärker nutzen, Tageszeit und Tankstelle sorgfältiger auswählen, sozusagen "mit den Füßen" abstimmen. Dann steigt der Druck auf die Konzerne. Am günstigsten sei es zum Beispiel zwischen 18 und 20 Uhr, sagt Mundt. Brisanz dürfte das Thema ohnehin dann erhalten, wenn die internationalen Rohölpreise wieder dauerhaft steigen.

© SZ vom 10.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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