Kommentar:Kleine große Koalition

Für eine große Koalition spricht vor allem ihr Adjektiv - dass sie eben groß ist. So haben es deren Anhänger vor der Wahl gesagt, so versprachen es deren Architekten danach. Bestimmte Entscheidungen können die Volksparteien nur gemeinsam treffen, weil dann Interessengruppen die Politiker nicht gegeneinander ausspielen können.

Nikolaus Piper

Und auch die gegenseitige Blockade von Bundestag und Bundesrat würde es nicht mehr geben, denn das neue Bündnis hat ja in beiden Häusern eine satte Mehrheit. Das Wort Vermittlungsausschuss würde man die nächsten vier Jahre vergessen können.

Von wegen. An diesem Freitag berät die Länderkammer über das Steuerpaket der Bundesregierung, in dem es vor allem um die Erhöhung der Mehrwertsteuer zum 1. Januar 2007 geht.

Kritischer Punkt

Und aus diesem Anlass könnte nun zum ersten Mal seit Angela Merkel Kanzlerin ist, der Vermittlungsausschuss angerufen werden. Der kritischste Punkt dabei sind die Kürzungen beim öffentlichen Nahverkehr, die ebenfalls beschlossen werden sollen. Aber auch die höhere Mehrwertsteuer ist alles andere als unumstritten.

Käme es zu dem Schritt, dann wäre dies zunächst einmal ein Stück Normalität im Föderalismus. Der Bundesrat ist nun mal eine Vertretung der Landesregierung und kein Parlament mit Fraktionen. Aber der Vorgang zeigt auch die latente Schwäche der großen Koalition: Ihre Neigung, sich im Klein-Klein zu verlieren, ehe es überhaupt zu großen Schritten kommt.

Hier, wie schon bei vielen anderen Anlässen zuvor offenbart sich: Das Bündnis Merkel-Müntefering verfügt über kein Leitbild, das über das Klein-Klein des Berliner Alltags hinaushelfen könnte. Jedenfalls nicht in der Wirtschaftspolitik.

© SZ vom 16.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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