Kommentar:Keine Zeit für Sentimentalitäten

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Marc Beise erlebte bereits die Krise 2008 als SZ-Wirtschaftsredakteur. Es ist eine prägende Erinnerung. Illustration: Bernd Schifferdecker (Foto: ipad)

Eine Bank wird mit Milliarden Euro vom Staat gerettet - und kaum jemand regt sich darüber auf. Wegen der Tradition. Das darf nicht sein.

Von Marc Beise

Das Jahr endet gut für die Finanzbranche. Die Deutsche Bank und die Schweizer Credit Suisse können ihre lange schwelenden Schadenersatzprozesse in den USA teuer, aber nicht existenzgefährdend abschließen. In Italien wird der Monte dei Paschi di Siena mit Milliarden Euro vom Staat gerettet. Und das Schönste: Kaum jemand regt sich darüber auf. Es sieht fast so aus, als hätten die Banker die Krise ausgesessen, als könnten sie wieder unbehelligt ihre Geschäfte machen; und wenn sie es zu dreist getrieben haben, ist am Ende der Staat ihnen gnädig.

So kann es kommen, aber so darf es nicht kommen.

Wo das Problem liegt, zeigen die aktuellen Fälle im Vergleich. Nur auf den ersten Blick haben sie wenig miteinander zu tun. Der Monte dei Paschi ist eine Legende, das älteste noch aktive Bankhaus der Welt, gegründet 1472, das war 20 Jahre bevor Kolumbus Amerika für die Europäer entdeckte. Aber Tradition ist kein Wert an sich, und die Gründung in den toskanischen Hügeln zu Zeiten der Schwarzen Pest ist heute nur noch eine Fußnote der Geschichte. Schiebt man die Ehrfurcht einflößende Tradition zur Seite, dann bleibt eine kleine italienische Mittelstandsbank, die hoch hinaus wollte und gescheitert ist. Die sich in riskanten und windigen Geldgeschäften verloren hat. Die noch nicht mal in der Krise hat erkennen lassen, dass sie wirklich einen Neuanfang sucht - und die nicht von ungefähr bei allen privaten Geldgebern abblitzte. Und die deshalb jetzt bitte, so betrüblich das für Mitarbeiter und Geldgeber ist, pleite gehen muss - so wie es sich übrigens die Europäer nach der großen Krise 2007 versprochen und ihr Regelwerk entsprechend geändert haben.

Wenn die Europäische Kommission die Pläne der römischen Regierung genehmigt und akzeptiert, dass der italienische Staat mit rund 20 Milliarden Euro einspringt, dann wäre das ein verheerendes Signal an die Bürger, dass die Herren des Geldes immer gewinnen. Und es wäre ein folgenreiches Signal an die Branche, dass man es mit den Regeln nicht so genau nehmen und Risiken nicht scheuen muss: Überleben ist ja garantiert. Dagegen stünde nur die Gefahr eines Finanzbebens, aber die ist überschaubar: Mehr als kleinere Turbulenzen an den Märkten sind wohl nicht zu erwarten; der Monte ist nicht, wie man sagt: systemrelevant.

Die Politik darf beim Umbau der Finanzwirtschaft nicht lockerlassen

Ganz anders die Deutsche Bank: Hier muss man fast froh sein, dass der Konzern nur 7,2 Milliarden Dollar (6,9 Milliarden Euro) zahlen muss für fragwürdige Hypothekengeschäfte aus der Zeit vor der Finanzkrise. Ein wichtiger Zwischenschritt, nicht mehr, noch immer sind Tausende von Rechtsstreitigkeiten offen, auch der besonders unappetitliche Verdacht von Geldwäsche in Russland. Die US-Justiz hatte ursprünglich 14 Milliarden Dollar gefordert, manche hatten in diesem Zusammenhang schon vom Ende der Deutschen Bank gesprochen. Das hätte man nicht wünschen dürfen, aber eben nicht aus Sentimentalität angesichts des 1870 gegründeten Unternehmens. Sondern allein deshalb, weil die Deutsche Bank immer noch systemrelevant ist. Ihr Zusammenbruch würde mit ziemlicher Sicherheit eine neue Finanzkrise auslösen; an den Folgen der letzten von 2007 leidet die Welt noch immer.

Umso wichtiger ist es, dass Politik und Aufsichtsbehörden national, europäisch und international die Finanzwirtschaft beharrlich und konsequent weiter umbauen. Erst wenn auch ein Major Player wie die Deutsche Bank im Markt scheitern und als Marke verschwinden könnte, ist die Weltwirtschaft in einem wirklich guten Zustand.

© SZ vom 24.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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