Kommentar:Kasse auf

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An die Arbeit, heißt es nun für die große Koalition. Als erstes sollen neue Ausgaben beschlossen werden. Dabei wäre es viel wichtiger, das Wachstum abzusichern. Erst muss das Geld verdient werden, das dann umverteilt werden kann.

Von Marc Beise

Jetzt wird regiert, heißt es allenthalben erleichtert, nachdem nun auch die Sozialdemokraten den Weg frei gemacht haben für eine neue große Koalition. Na ja, ein bisschen müssen sich die Bürger dann doch noch gedulden, die SPD-Spitze will sich eine weitere Arbeitswoche Zeit nehmen, die Verteilung ihrer Ministerposten zu organisieren; konnte man ja nicht ahnen, dass der Mitgliederentscheid schon am Sonntag abgeschlossen sein würde (Achtung: In diesem Absatz sind Spuren von Satire enthalten). Danach aber, also nächste Woche, soll es wirklich losgehen, so hat es die bekannt tatkräftige Kanzlerin Angela Merkel angeordnet, darauf hätten die Menschen im Land einen Anspruch. Nach fünf Monaten immerhin schon, Donnerwetter.

Was die Koalition übersieht: Höhere Ausgaben, die nicht das Wachstum fördern, sind falsch

Um ihre Handlungsfähigkeit zu beweisen, wollen die Neukoalitionäre rasch mit der Umsetzung zentraler Punkte des Koalitionsvertrages beginnen, heißt es in Berlin, namentlich der Erhöhung des Kindergeldes. Das ist jetzt keine Satire mehr, sondern ernsthaft der Zeitplan. Er zeigt die ganze Beschränktheit der neuen Regierung. So wichtig es ist, etwas für benachteiligte Kinder im Land zu tun (und insbesondere für alleinerziehende Mütter, die das größte Armutsrisiko in dieser Gesellschaft haben), so sehr ist die Erhöhung des Kindergeldes um monatlich 25 Euro dabei für den Einzelnen eine ganz kleine Münze. Viel wichtiger wäre ein Gesamtkonzept, wie den wirklich Bedürftigen im Land besser geholfen werden kann, das aber fehlt. Stattdessen wird Geld in alle möglichen Sozialleistungen gepumpt, hier ein bisschen und dort ein wenig, was sich in der Summe zu einer gefährlichen Zusatzbelastung des Staates addiert.

Das ist überhaupt das zentrale Problem dieser Koalition, dass sie sich nämlich ausweislich des Koalitionsvertrages im Geldausgeben erschöpft, komfortabel gepolstert durch rekordverdächtige Steuereinnahmen, sinkende Arbeitsmarktkosten und eine historisch niedrige Zinsbelastung auf die staatlichen Schulden. Jeder Koalitionspartner durfte abwechselnd Themen aufrufen, die ihm wichtig waren, und bekam dafür eine Lizenz zum Geldausgeben. Die staatlichen Überschüsse allerdings sind Einmaleffekte, sie schmelzen bei nächster Gelegenheit schneller, als Politiker planen können - die Kosten aber bleiben. Nachhaltige Finanzpolitik geht anders. Oder, in der Sprache des Sachverständigenrats der "Fünf Weisen" formuliert: Strukturelle Ausgabenerhöhungen, die keinen wachstumsfördernden Charakter haben, sind nicht zielführend.

Immerhin: Dass es noch schlimmer hätte kommen können, zeigt die Reaktion der Linkspartei. Sie vermisst unter anderem eine Erbschaftsteuer für Superreiche, eine Bürgerversicherung und die Abschaffung der Hartz-IV-Sanktionen - jedes Projekt für sich fragwürdig und in der Summe Wahnsinn. Aber auch so wird die Kasse weit geöffnet - übrigens auch, wenn es um Europa geht. Auch dort kann man dem Koalitionsvertrag nicht wirklich entnehmen, mit welchen Zukunftsvisionen die neue Regierung ins Gespräch mit dem charismatischen französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron gehen will. Ein europapolitisches Konzept hat diese Koalition (noch) nicht, aber sie hat sicherheitshalber schon mal angekündigt, dass sie bereit ist, mehr Geld für Europa auszugeben - hätte man nicht erst mal definieren sollen, um welches Europa mit welchen Prinzipien es eigentlich gehen soll?

Auch mehr soziale Gerechtigkeit in Deutschland ist durchaus eine ernsthafte Überlegung wert. Wer sagt aber, dass dies vor allem durch mehr Ausgaben erreicht wird? So ist die Herstellung von mehr Chancengerechtigkeit viel wichtiger. Vor diesem Hintergrund ist es immerhin richtig, wenn die große Koalition ebenso in den Ausbau staatlicher Bildungsangebote investieren will wie in die digitale Infrastruktur. Eine klare und umfassende wirtschaftspolitische Agenda, die erklärtermaßen das Wirtschaftswachstum stärken will, fehlt bisher.

In diesem Zusammenhang wäre es auch nötig, Leistungsbremsen zu lösen. Durch gezielte Entlastung bei den Steuern (das soll erst Ende der Legislaturperiode geschehen) und durch Entbürokratisierung. Der alte Satz von Ludwig Erhard, dass das Geld erst verdient werden muss, das dann umverteilt werden kann, gilt noch immer. So klar hätte das mal im Koalitionsvertrag stehen können. Der aber spricht eine andere Sprache: Er setzt im Grunde darauf, dass der Staat mit Geld die Probleme des Landes lösen soll.

Daran ist nicht falsch, dass Probleme gesehen werden. Nur die Art, wie sie gelöst werden sollen, ist großteils von gestern.

© SZ vom 06.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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