Kommentar:Handelt endlich!

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50 Jahre nach der Gründung des Club of Rome zeigt sich: Das Forschergremium lag mit seinen düsteren Prognosen für den Planeten richtig, nur wollte das keiner glauben. Was Politik und Wissenschaft nun aus den alten Fehlern lernen müssen.

Von Silvia Liebrich

Wer im alten Griechenland eine schlechte Botschaft überbringen musste, lebte gefährlich. Im schlechtesten Fall rollte sein Kopf. Damit muss heute zwar niemand mehr rechnen, doch Ärger droht allemal. Läuft es schlecht, bläst dem Botschafter ein Sturm der Entrüstung entgegen oder - fast noch schlimmer - er wird mitsamt seinen Warnungen einfach ignoriert. So erging es auch den Forschern des Club of Rome, als sie 1972 in ihrem ersten Bericht die "Grenzen des Wachstums" aufzeigten. Eine aufrüttelnde Analyse, in der sie die Folgen eines anhaltenden Raubbaus an den Ressourcen des Planeten skizzierten.

In diesem Jahr feiert die Organisation, der renommierte Wissenschaftler aus aller Welt angehören, ihren 50. Geburtstag. Mit ihr nahm die kritische Zukunfts- und Umweltforschung an Fahrt auf. Trotzdem ist es auch ein bitteres Jubiläum. Obwohl das Gremium mit seinen Analysen über die Lage der Menschheit in vielen Punkten recht behalten sollte, hat es in entscheidender Hinsicht versagt: Es ist ihm nicht gelungen, Politik und Gesellschaft zum Innehalten und Umdenken zu bewegen.

Vor gut fünf Jahrzehnten galten die Experten des Club of Rome als Partycrasher einer Zeit, die geprägt war vom unerschütterlichen Glauben an Wachstum und Wohlstand. Erdöl war der Treibstoff, der die Weltwirtschaft am Laufen hielt. Der Schutz von Umwelt, Artenvielfalt oder Klima rangierte auf der Agenda von Politikern und Wirtschaftslenkern, wenn überhaupt, weit unten. Zu unbequem waren die Konsequenzen, die sie hätten ziehen müssen. Noch unbequemer sind die Konsequenzen, die sie heute ziehen müssen.

Verkannte Experten, die kein Gehör finden - das ist ein Phänomen, das auch die Neuzeit prägt. So ergeht es vielen Wissenschaftlern und Forschergremien, die Antworten auf die drängenden Fragen dieser Zeit suchen. Sie eint, dass sie von der Politik kaum ernst genommen und ihre Ratschläge oft verworfen werden. Ein fataler Fehler, den es zu korrigieren gilt. Die Menschheit muss lernen, verantwortungsvoller mit dem Planeten umzugehen. Das ist keine Option, sondern ein Muss, eine zweite Erde steht nicht zur Verfügung.

Der neueste Bericht des Club of Rome zeigt, dass ein beherztes Eingreifen auch jetzt noch viel bewegen kann. Dafür braucht es jedoch eine enge Kooperation zwischen Regierungen und Forschung. Politiker müssen endlich lernen zuzuhören. Und sie müssen endlich den Mut aufbringen, harte Entscheidungen zu fällen. Diese müssen wissenschaftlich fundiert sein und dürfen nicht von wirtschaftlichen Interessen getrieben sein, wie es bislang oft der Fall ist.

Zwar verfügt auch die Bundesregierung über einen ganzen Beraterstab von unabhängigen Wissenschaftlern, nur werden die meist einfach übergangen. So fordert etwa der Agrarrat im Landwirtschaftsministerium seit Jahren vergeblich Reformen auf Feldern und in Ställen - zum Wohl der Umwelt, zum Schutz der Artenvielfalt. Im Wirtschaftsministerium werden Warnungen von Klimaforschern übertönt vom lauten Getöse aus der Automobil- und Energieindustrie. Deren Vertretern gelingt es immer wieder, allein mit der Androhung von Jobverlusten, jedes noch so überzeugende Argument für dringende Reformen vom Tisch zu wischen.

Fest steht: Unabhängige Forschung ist essenziell, um drängende Probleme zu lösen, in einem Zeitalter, in dem der Mensch immer mehr zur Naturgewalt wird. Aber auch die Wissenschaft muss ihre Hausaufgaben machen. Forscher müssen sich besser vernetzen, sozusagen eine Lobby in eigener Sache bilden. Und sie müssen lernen ihre Ergebnisse und Lösungen besser zu verkaufen. Brillante Forschungsergebnisse nützen wenig, wenn es nicht gelingt, sie zu erklären- und zwar so, dass sie von Politikern wie auch den Menschen auf der Straße verstanden werden. Je konkreter die Ratschläge ausfallen, umso größer sind auch die Chancen auf Umsetzung.

Tragisch aus heutiger Sicht ist, dass viele der düsteren Prognosen des Club of Rome inzwischen eingetreten sind, weil dessen Ratschläge ungehört blieben. Die Zahl wild lebender Wirbeltiere hat sich seit 1970 um 60 Prozent verringert, die Erderwärmung lässt sich kaum noch stoppen, Süßwasserreserven und fruchtbares Ackerland schwinden, soziale und politische Konflikte nehmen zu. Viele der Kritiker, die sich in den vergangenen Jahrzehnten lautstark Mühe gaben, den Club of Rome und seine Ergebnisse zu entkräften, sind inzwischen verstummt. Was bleibt, ist ein Schaden, der vor allem künftige Generationen belasten wird. Es ist die Pflicht von Politik und Wissenschaft, diesen Schaden nun so gering wie möglich zu halten.

© SZ vom 05.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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