Kommentar:Halb so wild

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Das Vertrauen schwindet, dass der US-Präsident seine Trumponomics politisch durchsetzen kann. Für die Weltwirtschaft ist das gut, für die Börse weniger.

Von Catherine Hoffmann

Der Durchmarsch der Populisten in Europa und den USA könnte schwieriger werden als gedacht. In den USA, wo das Wahlvolk "The Donald" auf den Schild gehoben hat, ist der Versuch spektakulär gescheitert, Obamas Gesundheitsreform abzuschaffen. Jahrelang hatten die Republikaner darauf hingearbeitet, nun verweigerten sie dem neuen Präsidenten die Gefolgschaft.

Es ist eben nicht so einfach, Stimmungen in Stimmen zu verwandeln, das zeigt sich auch in Europa. In Deutschland gewann die CDU ganz klar die Landtagswahlen an der Saar. Der unmissverständliche Wunsch der Wähler: Bloß keine Experimente! In den Niederlanden gelang es dem Rechtspopulisten Geert Wilders nicht, die liberale Ordnung des Landes über den Haufen zu werfen. Und in Frankreich wächst der Zuspruch für den linksliberalen Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron, der fest zu Europa steht.

Das heißt nicht, dass der Populismus überwunden wäre. Aber es zeigt doch, dass es nicht so schlimm kommen wird, wie befürchtet. Und das ist eine gute Nachricht für die Weltwirtschaft.

Weniger Trumponomics sind eine gute Nachricht für die Weltwirtschaft

Trump verspricht weniger Steuern für Reiche und Unternehmen, die Deregulierung der Finanzmärkte und ein riesiges Ausgabenprogramm. Er will Straßen, Brücken, Flughäfen, Schulen und Krankenhäuser errichten und damit für Millionen Menschen Arbeitsplätze schaffen. Das sind zunächst einmal keine schlechten Ideen, dachten sich viele Anleger und feierten Trump mit steigenden Kursen. Umfragen unter Unternehmern und Verbrauchern zeigten, dass die Stimmung im Lande stieg. Der Jubel wurde noch verstärkt, weil es in beiden Häusern des Kongresses republikanische Mehrheiten gibt. Das ließ hoffen, dass Trump - anders als sein Vorgänger - durchregieren könne.

Doch die Euphorie an den Börsen könnte sich als kurzlebig erweisen. Wie der Nobelpreisträger Robert J. Shiller gezeigt hat, kann sich der Optimismus zu einem "irrationalen Überschwang" steigern, bei dem die Investoren Vermögenswerte in die Höhe jubeln, ohne dass dies durch wirtschaftliche Fundamentaldaten gedeckt wäre. Bis irgendwann, womöglich erst nach einer längeren Phase der Übertreibung, die Blase platzt und Ernüchterung einkehrt.

Ist es heute schon so weit? Bisher spiegelt sich die begeisterte Reaktion der Märkte auf den Sieg von Trump - alle US-Aktienindizes haben mehrmals Rekordhöhen erreicht - nicht in harten Wirtschaftsdaten wider. Bisher offenbaren sich in den Kursen nur die Hoffnungen der Anleger auf einen starken Aufschwung. An Fakten fehlt es noch. Das ist nicht weiter verwunderlich: Bevor Unternehmen in neue Mitarbeiter, Fabriken und Büros investieren, wollen sie sichergehen, dass aus den gewagten Ankündigungen auch tatsächliche Wirtschaftspolitik wird.

Nach dem Obamacare-Debakel aber schwindet das Vertrauen in Trumps politische Durchsetzungsfähigkeit. Kann er liefern, was er versprochen hat? Die Zweifel wachsen. In der Industrie und im US-Senat formiert sich Widerstand gegen Trumps Steuerpläne. Und Ökonomen rechnen damit, dass das geplante Ausgabenprogramm, das die Konjunktur anschieben soll, länger auf sich warten lässt und kleiner ausfallen wird als geplant.

Dadurch sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass Trumponomics das Wirtschaftswachstum und die Unternehmensgewinne so stark beflügeln werden, wie erhofft. So mancher Anleger dürfte enttäuscht sein - einerseits. Andererseits rechnen Ökonomen für die USA noch immer mit einem zwar nicht fulminanten, aber doch soliden Wirtschaftswachstum. Dafür spricht auch, dass das Risiko eines echten Handelskrieges schrumpft, wenn nicht alle Äußerungen des Präsidenten für bare Münze genommen werden müssen.

Auch in Europa tut sich plötzlich etwas. Viele hatten die EU bereits abgeschrieben. Doch nun demonstrieren Bürger und Politiker für die Staatengemeinschaft. In den jüngsten Umfragen werden nationalistischen und europafeindlichen Kandidaten und Parteien bei den anstehenden Wahlen in Frankreich und Deutschland geringere Chancen eingeräumt. Sogar der Wirtschaft geht es besser. Geld- und Fiskalpolitik sind expansiv, der wachsende Welthandel stützt Exporte und Investitionen.

Alles zusammengenommen, ist das gut für die Weltwirtschaft. Ein Kurswechsel hin zum aggressiven Protektionismus wäre eine ernste Gefahr. Nun darf man hoffen, dass sich der seit fast acht Jahren währende Aufschwung fortsetzt - und sich die Schreckensszenarien vom Ende der Globalisierung und Wirtschaftskriegen nicht bewahrheiten.

© SZ vom 28.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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