Kommentar:Gier ohne Maß

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Im Siemens-Konzern kriselt es, doch die Manager wollen 30 Prozent mehr Gehalt. Das ist dreist.

Markus Balser

Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer mag ein gespanntes Verhältnis zu seinem Nachfolger haben. Einen großen Wunsch aber wollte er Klaus Kleinfeld nicht abschlagen: Nach drei Jahren ohne Gehaltserhöhung lägen die Bezüge der Vorstände im Vergleich mit anderen Dax-Konzernen nur im unteren Mittelfeld, hat Pierer befunden.

Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer: Das Unrecht rasch beseitigt. (Foto: Foto: dpa)

Der Konzern reagierte schnell, um solches Unrecht aufzufangen: Um satte 30 Prozent sollen die Gehälter zum neuen Geschäftsjahr steigen.

Nicht zum ersten Mal beweisen Spitzenmanager in Deutschland wenig Gespür für den Umgang mit ihren Beschäftigten. Bei Siemens aber grenzt die neue Großzügigkeit an Dreistigkeit.

Das Management hat einen radikalen Umbau eingeleitet, der in der Geschichte des Konzerns seinesgleichen sucht.

Klischee bedient

In den Krisensparten Kommunikation und dem IT-Dienstleister SBS müssen Tausende Beschäftigte gehen. Von Tausenden anderen verlangt die Führung umfangreiche Opfer, vor allem Einschnitte beim Gehalt.

Einbußen vom Fußvolk verlangen und gleichzeitig üppige Gehaltssteigerungen im Topmanagement durchpeitschen - mühelos bedient der Vorstoß das Klischee vom gierigen Manager, der sich selbst am nächsten ist.

Dabei zählen die Vorstände von Siemens, einem der größten und wichtigsten Konzerne in Deutschland, tatsächlich in den Kategorien des Internationalen Managements nicht zu den Spitzenverdienern. Konzernchef Klaus Kleinfeld bringt es auf ein Drittel des Gehalts von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann. Für einen derart üppigen Gehaltssprung ist das aber kein Grund. Denn höhere Einkommen lassen sich nur mit höherer Leistung begründen.

Davon kann im Fall Siemens aber keine Rede sein. Die Entwicklung des Unternehmens rechtfertigt die geplanten Einkommenssprünge für die Manager in keiner Weise. Der Dax entwickelte sich in den vergangenen drei Jahren viermal besser als die Siemens-Aktie.

Wieder versagt

Auch der Firmenwert entwickelte sich nur mäßig. Im europäischen Vergleich landete Siemens hier abgeschlagen auf den hinteren Plätzen. Noch mehr Fragen aber wirft auf, warum der Konzern die Vorstandsgehälter ausgerechnet vor der geplanten Verkleinerung des Gremiums in den nächsten Monaten so massiv anheben will.

Damit kommen nämlich auch jene Vorstände noch in den Genuss höherer Gehälter und Pensionsansprüche, die das Desaster in den Krisensparten mitverantwortet haben.

Das Management hätte gut daran getan, mit einer Gehaltserhöhung auf gute Zahlen zu warten. Der Vorwurf an die Kritiker, es gehe mal wieder nur um eine Neiddebatte, die die Deutschen so gerne führten, greift zu kurz.

Hinter dem Ärger der Mitarbeiter, die erst vor Tagen von Gehaltseinbußen erfahren haben, steckt ein anderes, viel wichtigeres Signal: der Wunsch nach glaubwürdiger Führung. In Zeiten des Umbruchs Orientierung zu geben - die Wirtschaftselite in Deutschland versagt darin ein ums andere mal.

© SZ vom 19.09.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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