Kommentar:Gesunde Reklame

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Nicht alle Brüsseler Ideen sind bürokratischer Irrsinn.

Alexander Hagelüken

Die deutschen Unternehmen haben sich angewöhnt, nicht mehr nur der Berliner Politik zu zürnen. Aus der EU-Hauptstadt Brüssel kam in den vergangenen Jahren eine Flut von Gesetzen, die alle direkt in die Wirtschaft eingreifen.

Ob für den Einsatz von Chemikalien oder die Vergabe von Krediten: Vor allem zum Schutz von Umwelt und Konsumenten macht Brüssel viele Auflagen. Zu viele, stöhnt die Wirtschaft. Die neueste Initiative, gegen die deutsche Firmen protestieren, ist die Einschränkung der Lebensmittelwerbung.

Wieder vertrauen dürfen

Nur was wirklich gesund ist, darf künftig als gesund angepriesen werden. Doch trotz aller Klagen: Das Beispiel zeigt, dass nicht alle Brüsseler Ideen bürokratischer Irrsinn sind.

Idealerweise schützen Verbraucherregeln den Konsumenten nur insoweit, als es wirklich nötig ist. Alles andere führt zu bürokratischem Aufwand und lähmt die unternehmerische Initiative. Die EU-Kommission hat hier die richtige Balance zuweilen verfehlt.

Die Vergabe von Krediten für Autos oder Möbel, wie geplant, so zu erschweren, dass Geringverdiener gar kein Darlehen mehr bekommen, wäre bloße Bevormundung erwachsener Menschen gewesen, die Vorschrift hätte die zu Schützenden massiv benachteiligt.

Ebenso unsinnig ist das Tabakwerbeverbot. Solange Zigarettenpackungen und -anzeigen Warnhinweise enthalten, ist ein Raucher ausreichend über die Gesundheitsfolgen informiert. Die Reklame komplett zu verbieten, war überflüssig.

Solche Fälle haben Argwohn gegen jedwede Regeln aus Brüssel geweckt. Die neue EU-Kommission unter José Manuel Barroso nimmt dies sehr ernst - und schlägt kaum neue Gesetze vor.

Aus der Überregulierung früherer Jahre könnte jetzt ein Mangel werden. Der Streit um die Lebensmittelwerbung zeigt, warum Brüssel auch einmal in die Wirtschaft eingreifen sollte.

Wenn Menschen sich besser ernähren, leben sie besser und ersparen der Gesellschaft hohe Krankheitskosten.

Deshalb müssen die Konsumenten Werbeslogans trauen können, insofern diese ein "gesundes" Produkt versprechen. Wenn ein "fettarmer" Joghurt aber voller Zucker steckt, wird der Käufer irregeführt.

Ebenso, wenn Frühstücksflocken für Kinder als "vitaminreich" angepriesen werden, aber weit süßer sind als Konkurrenzangebote.

Die wenigsten Bürger sind Lebensmittelchemiker. Und den meisten Eltern fehlt die Zeit, Inhaltsangaben auf Verpackungen zu entschlüsseln. Für eine gute Ernährung sind klare Informationen über Nahrungsmittel notwendig - gut, dass Brüssel die gröbsten Täuschungen verbietet.

© SZ vom 17.05.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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