Kommentar:Genau hinschauen

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Kuka, Aixtron, und demnächst vielleicht auch noch Osram und Siltronic? Ein Ausverkauf europäischer Hochtechnologie in die Volksrepublik China wäre gefährlich.

Von Caspar Busse

Die kleine Maschinenbaufirma Aixtron aus Herzogenrath in der Nähe von Aachen war bis vor Kurzem nur wenigen ein Begriff. Doch auf einmal ist das Unternehmen mit gut 700 Mitarbeitern in der Weltpolitik gelandet. Der scheidende US-Präsident Barack Obama persönlich hat jetzt die geplante Übernahme von Aixtron, einem Zulieferer für die Halbleiterindustrie, durch einen chinesischen Investor untersagt. Der Grund: Es bestünden Risiken für die nationale Sicherheit der USA, teilte die Regierung in Washington mit. Offenbar werden mit den Maschinen aus Deutschland unter anderem Komponenten für Nachtsichtgeräte der amerikanischen Armee oder ein Raketenabwehrsystem hergestellt. Das chinesische Konsortium Grand Chip Investment (GCI), hinter dem mehrere staatlich kontrollierte Fonds stecken, wollte Aixtron für fast 700 Millionen Euro übernehmen. Der vorliegende Plan ist jedenfalls erst mal gestoppt.

Aixtron, Kuka, Siltronic, Osram - ein Ausverkauf in Europa wäre gefährlich

Ist das Veto aus Washington in diesem Einzelfall berechtigt oder erfolgt es aus übertriebener Angst vor den Chinesen? Das ist schwer zu beurteilen, die amerikanischen Behörden haben zumindest lange und genau geprüft (sie haben ein Wort mitzureden, weil Aixtron eine Tochterfirma mit hundert Beschäftigten in Kalifornien unterhält). Auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel prüft den Vorgang und hatte zuvor die Unbedenklichkeitsbescheinigung wieder kassiert.

Der brisante Fall zeigt die steigende Nervosität, dass wichtige Technologie nach der Übernahme durch chinesische Investoren abwandern könnte. Die Sorge ist durchaus berechtigt, auch für Europa und Deutschland. Denn chinesische Unternehmen drängen derzeit mit großer Macht Richtung Westen auf der Suche nach Technologie und Markennamen. Erst vor wenigen Monaten hatte Midea - das Unternehmen stellt bislang Klimaanlagen und Waschmaschinen her - für 4,5 Milliarden Euro die Industrieroboterfirma Kuka übernommen. Auch die Münchner Lichtfirma Osram ist inzwischen ins Visier geraten, die Beschäftigten wehren sich gegen eine feindliche Übernahme und argumentieren, dass Osram auch an Technologien "für militärische Anwendungsgebiete" arbeite. Zuletzt wurde über ein Interesse von chinesischen Investoren an der Firma Siltronic spekuliert, einem der weltweit größten Herstellern von Siliziumscheiben, aus denen die Halbleiter gefertigt werden.

Vorsicht ist also geboten, ein Ausverkauf in Europa wäre gefährlich. Die Politik darf es nicht mit einem Achselzucken hinnehmen, wenn europäische Hochtechnologie abwandert, sondern muss jeden Einzelfall sorgfältig beobachten. Sie sollte vor allem auch mit Macht auf Gleichberechtigung drängen. Denn europäische und deutsche Konzerne können in China keinesfalls so frei agieren wie die Konkurrenz hierzulande. Die mehrheitliche Übernahme von chinesischen Unternehmen ist in der Regel nicht möglich, besonders wenn diese den Politikern in Peking strategisch wichtig erscheinen. Gleiche Regeln für alle, das muss das Ziel sein. Dazu kommt, dass sich China zunehmend abschottet. Gerade erst hat der deutsche Botschafter in Peking einen zunehmenden Protektionismus kritisiert. Unternehmen beklagen (allerdings meist hinter vorgehaltener Hand, um China nicht zu verärgern) unfaire Handelspraktiken, Dumpingpreise wie in der Stahlindustrie oder Hindernisse beim freien Marktzugang.

Trotzdem: Eine Abschottung gegen Asien wäre die falsche Reaktion. Der freie Welthandel - nach der Wahl von Donald Trump zum neuen US-Präsidenten ohnehin bedroht - braucht nicht mehr, sondern weniger Protektionismus, Abschottung und Dirigismus. Daran muss gerade Deutschland interessiert sein, das Land profitiert enorm vom freien Welthandel und ist in der Vergangenheit gut mit einer liberalen Wirtschaftspolitik gefahren. Die deutschen Konzerne, aber auch die vielen mittleren und größeren Mittelständler brauchen die Weltmärkte und sind dort mit ihrem Know-how und ihren Technologien erfolgreich.

Generell Übernahmen deutscher oder europäischer Technologiefirmen zu erschweren oder zu verbieten, wäre falsch. Legitim ist es aber, die bestehenden Regeln anzuwenden. Das Außenwirtschaftsgesetz greift dann, wenn Sicherheitsbelange der Bundesrepublik betroffen sein könnten. Das Wirtschaftsministerium muss strittige Fälle genau prüfen und hat einen gewissen Ermessensspielraum. Den Fall Aixtron, wie übrigens auch den Verkauf der Osram-Tochter Ledvance, schauten sich die Beamten aber erst genau an, nachdem die Übernahme in die öffentliche Diskussion geriet. Hier ist offenbar mehr Sorgfalt nötig.

© SZ vom 05.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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