Kommentar:Fair in der Arena

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Apple nutzt seine marktbeherrschende Stellung aus - und verdient mit seinem App-Store mehr als genug. Dass sich nun ein Spieleentwickler dagegen wehrt, ist gut. Bestenfalls profitieren davon auch die Nutzer.

Von Valentin Dornis

Bei einem "Battle Royale" kämpfen die Gegner so lange in einer Arena gegeneinander, bis nur noch einer übrig ist. Dieser Spielmodus ist bei Videospielern weltweit sehr beliebt. Doch was virtuell so gut läuft, hat nun einen Streit in der realen Welt ausgelöst. In der Arena dabei: Apple, Google, Spotify, Facebook - und Spieleentwickler Epic Games. Ein Battle Royale der Tech-Firmen, die um die Macht im Smartphone-Universum ringen. Es geht um die Kontrolle darüber, unter welchen Bedingungen Apps zukünftig auf die Handys kommen. Am Ende dieses Streits könnte es viele Verlierer geben.

Epic Games, das mit Fortnite eines der derzeit erfolgreichsten Battle-Royale-Videospiele herausbringt, inszeniert den Streit als Freiheitskampf. Das Unternehmen rebelliert gegen Apple, es geht um Macht und viel Geld. Denn Apple behält 30 Prozent der Umsätze mit Apps und In-App-Käufen ein. Das versuchte Epic Games zu umgehen - woraufhin Apple das Fortnite-Spiel aus dem App-Store schmiss. Doch der Spieleentwickler war vorbereitet und reagierte mit einer Klage.

Epic Games kämpft nicht für die Freiheit aller, sondern in erster Linie für sich selbst

Die Streitfrage ist, ob Apple seine Marktmacht ausnutzt. Das Unternehmen kontrolliert, welche Apps für seine Geräte angeboten werden und diktiert die Bedingungen. Wer eine App für iPhones und iPads herausbringen will, der muss mitspielen. Man stelle sich das auf einem Wochenmarkt vor: Apple gehört der einzige Marktplatz, es baut alle Transporter und Stände, probiert jede Wurst, bevor sie verkauft wird, und behält am Ende auch noch 30 Prozent aller Umsätze. Das ist vor allem für kleine Entwickler hart, die meist noch nicht einmal Gewinn machen. Und die Nutzer müssen mehr bezahlen, weil die Gebühren in der Regel an sie weitergereicht werden. Epic Games hat also gute Argumente dafür, dass Apple seine marktbeherrschende Stellung ausnutzt.

Bei Google, mit dem die Spieleentwickler ebenfalls streiten, sieht es etwas anders aus: Der Konzern behält ebenfalls etwa ein Drittel der Einnahmen im Play-Store, erlaubt Android-Nutzern aber, Apps auch woanders herunterzuladen. In der Realität tut das allerdings nur ein Bruchteil der Nutzer.

So scheinen die Rollen klar verteilt. Doch Epic Games kämpft natürlich nicht für die Freiheit der kleinen Entwickler und die Geldbeutel der Nutzer, sondern in erster Linie für sich selbst. Der Konzern will seinen eigenen App-Store zum wichtigsten Marktplatz für Spiele machen. Dort verlangt Epic Games keine 30, aber immerhin zwölf Prozent Anteil an den Umsätzen, bindet Entwickler mit Exklusivverträgen an sich und stellt ihnen Bedingungen, wenn sie den Store nutzen wollen. Eigentlich will Epic Games also vor allem eines: Kalif anstelle des Kalifen werden.

Der Ausgang dieses Streits, in den sich auch Spotify, Facebook und große US-Verlage eingeschaltet haben, wird darüber entscheiden, wie in den kommenden Jahren Apps auf unsere Smartphones kommen - und wer damit das große Geld verdient. Apple und Google argumentieren zu Recht mit der Sicherheit: Ihre Marktplätze sind eine relativ gut gegen Hacker und Viren geschützte Umgebung. Epic Games dagegen will, dass jeder seine Apps überall herunterladen kann, im Zweifel also auch aus dubiosen Quellen. Doch das ist nicht realistisch. Der durchschnittliche Nutzer wird sich zur Sicherheit weiterhin an den großen Namen orientieren, denen er vertraut. Epic Games wettet darauf, dass es selbst zu diesen vertrauenswürdigen Marken gehört und einen ordentlichen Teil des Geschäfts abbekommt.

Alle haben in diesem Streit viel zu verlieren. Apple, weil es mit der Umsatzbeteiligung viel Geld verdient und droht, es sich mit einer ganzen Generation junger, zahlungskräftiger Handygamer zu verscherzen. Epic Games, weil es finanziell unterlegen ist. Das Unternehmen hat zwar etwa eine halbe Milliarde Spieler hinter sich und wird mit 17 Milliarden Dollar bewertet. Allerdings hat Apple allein 200 Milliarden Dollar an Barreserven. Je länger der Streit dauert, desto eher wird Epic Games aus finanziellen Gründen klein beigeben müssen. Die kleinen Entwickler werden mit ihren Apps so oder so weiter auf Marktplätze angewiesen sein, bei denen einzelne Konzerne die Kontrolle haben, ob nun von Apple oder Epic Games.

Die beste Lösung wäre etwas, das im Battle Royale eigentlich nicht vorgesehen ist: ein Kompromiss. Apple müsste seine Umsatzbeteiligung reduzieren und auch andere Zahlungsmethoden außerhalb des App-Stores erlauben, und Epic Games sich damit zufriedengeben, statt nach noch mehr Macht zu streben. Das wäre die Variante, von der die Spieler am meisten profitieren würden.

© SZ vom 24.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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